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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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erfahren. Also ist er ermordet worden. Wahrscheinlich von diesem dubiosen Freund, den keiner kennt und von dem keiner den Namen weiß.«
    Neri nickte zustimmend. »Und die zweite Möglichkeit?«
    »Es könnte ja sein, dass sie lügt und dass die Beziehung alles andere als rosig war. Die Ehe stand kurz vor dem Scheitern, und der Mann verschwindet. Würde sie dann eine
Vermisstenanzeige aufgeben? Nein. Jedenfalls nicht so schnell. Weil sie davon ausgeht, dass er sie verlassen hat und bei irgendeiner Schlampe im Bett liegt. In Rom oder sonst wo. Er kann ja auch längst auf Capri sitzen und sich den Pelz verbrennen. Mit einer Vermisstenanzeige würde sie sich also nur blamieren und der ganzen Welt offenbaren, dass sie die Verlassene ist, wenn ihr Mann wieder auftaucht. Also, ich denke, diese Möglichkeit können wir ausschließen, weil sie sofort zu dir gerannt ist und hier die ganze Welt verrückt macht.«
    »Ja, das leuchtet mir ein.«
    »Va bene. Dann die dritte Möglichkeit: Sie hat ihn gehasst und umgebracht. Spielt die liebende, besorgte Ehefrau und gibt eine Vermisstenanzeige auf, um über den Mord hinwegzutäuschen.«
    »Das könnte sein.«
    »Nein, ich glaube nicht, mein Schatz. Die beiden sind gerade erst auf La Roccia angekommen, hast du mir gesagt. Das weiß noch niemand, sie haben noch keine Leute getroffen, waren nicht auf dem Markt oder auf diversen Festen. Es wäre ja bescheuert, den Gatten gleich am ersten Tag in Italien umzubringen und dann bei der Polizei die Pferde scheu zu machen! Wenn ich so etwas vorhätte, würde ich ihn am letzten Tag umbringen. Dann kann sich jeder im Ort daran erinnern, dass die beiden vergnügt und fröhlich hier einen gemeinsamen Urlaub verbracht haben und Händchen haltend über den Marktplatz spaziert sind. Dann würde ich an - wie heißt die Signora noch mal?«
    »Magda.«
    »Also dann würde ich an Magdas Stelle abreisen. In Deutschland würde ich erzählen, mein Mann wolle noch zwei Wochen in Italien bleiben. Dann würde ich ihn vielleicht
in vier Wochen vermisst melden. Bis die Deutschen sich an die Italiener wenden, vergehen wieder Wochen. Es gibt ein fürchterliches Durcheinander zwischen Deutschland und Italien, niemand ist zuständig, die Leute im Dorf können sich auch an keine Details oder Daten mehr erinnern - das Chaos ist perfekt, und wenn die Leiche einigermaßen gut versteckt ist, wird der Mord nie aufgeklärt.« Sie rieb sich die Hände. »So würde ich es machen. Den Gatten gleich am Anfang des Urlaubs umzubringen ist ziemlich dumm, und darum wird sie es auch nicht getan haben.«
    »Du bist eine verdammt kluge Frau, Gabriella«, sagte Neri und legte seine Hand auf ihre.
    Gabriella fühlte sich geschmeichelt und resümierte: »Also wird er in Rom ermordet worden sein. Das ist wunderbar, Neri. Einfach fantastisch. Du bist hier in diesem Käsenest, aber du hast wieder einen tollen Fall! Eine dritte Chance. Es ist unglaublich, was der Himmel sich alles ausdenkt, um dich wieder zurück nach Rom zu bringen, auch wenn du es schon zweimal vergeigt hast. Tesoro, ich bin ganz begeistert. Am besten du fährst so schnell wie möglich zum Bahnhof und erkundigst dich, ob er wirklich mit dem Zug nach Rom gefahren ist. Vielleicht kann sich ja durch Zufall noch jemand erinnern. Und dann fahren wir beide nach Rom und suchen diesen merkwürdigen Freund. Ach Neri, das wird wunderbar!«
    Sie stand auf und fiel ihm um den Hals.
    Die Depression der letzten Wochen war wie weggeblasen. Neri fühlte sich, als würden ihm Flügel wachsen. Mit ein bisschen Glück hatte er es nicht nur mit einem läppischen Ehebruch, sondern mit einem handfesten Mord zu tun.

22
    Magda war dankbar, die Nacht nicht allein auf der Terrasse verbringen zu müssen.
    »Erzähl mir alles, was dir einfällt«, bat Lukas. »Gib mir Hinweise, Magda. Was waren seine besonderen Vorlieben, Sehnsüchte? Was wollte er schon seit Jahren mal machen, aber ist nie dazu gekommen? Bitte, sag mir alles, was dir einfällt. Auch wenn du glaubst, dass es total nebensächlich ist. Dann suche ich ihn. Ich schwör dir, ich setze Himmel und Erde in Bewegung, ich brauche nur einen Anhaltspunkt.«
    Magda hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah in den nächtlichen Sternenhimmel.
    »Morgen wird wieder ein schöner Tag«, sagte sie leise und lächelte. »Windstill und klar. Solche Tage liebte er besonders, weil er dann draußen am meisten tun konnte. Eigentlich hat er immer nur gearbeitet. Und abends fiel er fast vom Stuhl vor

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