Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Moment.«
    Sie zog sich Jeans und eine leichte Bluse an und legte sich eine warme Jacke um die Schultern. Noch war es warm, aber draußen auf der Terrasse bereits kühl. Vor allem, wenn die Sonne untergegangen war.
    Als Magda aus dem Haus kam, öffnete Lukas gerade eine Flasche Wein. Magda setzte sich und nahm Topos Visitenkarte in die Hand, die immer noch auf dem Tisch lag.
    »Er wohnt in Florenz«, sagte sie. »Offensichtlich ist er hier nur zu Besuch. Aber irgendwie freut es mich, dass er uns besuchen will.«
    Lukas schenkte ein. »Er will was von dir. Er findet dich toll, und das zeigt er ziemlich deutlich. Ich finde das ganz schön dreist.«
    »Das glaub ich nicht.«
    »Doch. Er versucht noch nicht mal, es zu verbergen, und ich bin nicht blind.«
    »Lukas, du bist ja eifersüchtig!« Magda lachte. »Das musst du nicht sein. Ich habe nicht vor, mich von ihm verführen zu lassen, aber ich habe Lust, mich mit ihm zu unterhalten.«
    »Warum?«
    »Weil ich gerne die Gelegenheit nutze, italienisch zu sprechen. Und zwar nicht nur übers Wetter und übers Essen. Er scheint ein gebildeter Mann zu sein, und vielleicht
kann man bei einer gepflegten Unterhaltung nicht nur seinen sprachlichen Horizont erweitern.«
    Lukas sagte nichts dazu, konnte nichts dazu sagen, aber er war verärgert. Für ihn war Topo ein aufgeblasener Lackaffe. Er wusste nicht, woher dieses diffuse Gefühl kam, und Magda würde es ihm auch nicht glauben, also schwieg er lieber, um sie nicht wütend zu machen.
    Sie prosteten sich zu. Magda nippte nur an ihrem Wein.
    »Komm …«, Lukas nahm ihre Hand. »Mach dir keine Gedanken mehr über diesen Typen. Lass uns den Abend genießen.«
    Wenige Minuten später klingelte Lukas’ Handy. Er ging vor dem Haus auf und ab, während er telefonierte.
    »Nein, Mutter, Johannes ist noch nicht aus Rom zurück.«
    In Berlin zog sich Hildegards Herz zusammen. Sie hatte die ganze Zeit gehofft, dass Johannes reumütig, aber gesund wiedergekommen war. Doch mit diesem Satz zerschlugen sich all ihre Hoffnungen, und die Angst war wieder da.
    »Mein Gott, Lukas! Ich versuche ständig, ihn über sein Handy anzurufen, aber ich höre immer nur die Mailbox. Da muss doch was passiert sein!«
    »Mach dich nicht verrückt, Mutter. Die Polizei ist eingeschaltet, wahrscheinlich haben sie auch ihre Kollegen in Rom informiert und werden schon Mittel und Wege finden, ihn zu suchen. Aber gehört haben wir noch nichts, gar nichts, obwohl Magda jeden Tag mit den Carabinieri telefoniert.«
    Hildegard Tillmann schwieg. Die Stille in der Leitung machte ihr Entsetzen deutlich. Dann fing sie leise an zu weinen.
    »Mama, bitte.« Immer wenn seine Mutter weinte - und das war in seiner Jugend nicht oft vorgekommen -, war Lukas
vollkommen hilflos. »Die Situation ist merkwürdig, das stimmt, aber noch ist nichts verloren. Keine Nachricht ist eine gute Nachricht. Das sagst du selber immer.«
    »Ich bin froh, dass du dort bist«, flüsterte Hildegard. »Bitte such ihn, Junge! Versuche das Menschenmögliche, überlass nicht alles der Polizei, ja?«
    »Natürlich. Was glaubst du, was wir hier tun? Jeder verdammte Gedanke kreist um Johannes, Magda ist zu einem normalen Leben ja gar nicht mehr in der Lage!«
    »Das kann ich mir vorstellen. Bitte, ruf mich sofort an, wenn du irgendetwas hörst. Bitte, Lukas.«
    »Natürlich mach ich das. Ist doch klar.«
    Seine Mutter legte auf. Lukas knipste das Gespräch weg und kam zurück zu Magda an den Tisch.
    »Meine Mutter macht sich fürchterliche Sorgen.«
    Magda nickte.
    Lukas schwieg. Langsam ging es ihm auf die Nerven, dass die Frage, wo Johannes abgeblieben war, über allem schwebte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er anwesender war, als wenn er abends mit am Tisch gesessen und darüber geredet hätte, ob man La Roccia nicht doch lieber einzäunen sollte. Schon allein um auszuschließen, dass man in den Herbst- und Wintermonaten morgens aus dem Haus trat und einem Jäger gegenüberstand, der gerade das Gewehr auf einen Vogel richtete, der auf dem Dach saß.
    Aber Johannes war nicht da, und dass er ihnen dennoch seit Tagen die Gedanken diktierte, machte Lukas wütend.
    Magda stand auf, ging ein paar Schritte und trat aus dem Lichtschein der Lampe. Sie stand unbeweglich da und starrte in die Nacht, auf den dunklen Wald, als erwarte sie jeden Moment, dass ein Licht in der Finsternis auftauchen und näher kommen würde.

    Lukas sagte kein Wort und wartete. Ewig. So kam es ihm jedenfalls vor, und dann hielt er

Weitere Kostenlose Bücher