Die Totengräberin - Roman
»Salve«, murmelte Massimo. »Was treibt dich denn in diese einsame Gegend?«
»Ich wollte eigentlich die Signora sprechen.«
»Die ist nicht da. Niemand ist hier, alles wie ausgestorben. Was hat die Signora denn verbrochen?«
»Nichts. Ich ermittle in Sachen ihres Mannes. Weil er verschwunden ist.«
»Oh Dio! Das hört sich aber dramatisch an, findest du nicht? Unter uns, Donato, ich glaube, er ist mit einer andern
Frau durchgebrannt. Das ist alles. Nicht gerade die feine Art, aber was willst du machen?«
»Weißt du denn was Genaues?«
Massimo schüttelte den Kopf. »Nein. Leider nicht.«
»Sie hat eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Und darum will ich der Sache nachgehen.«
Massimo nickte. »Mach das, Donato, mach das. Kann ja nicht schaden.«
Neri legte auf dem Rücken seine Hände ineinander, drückte die Brust raus und sah sich um. »Schönes Grundstück«, sagte er. »Ein bisschen wüst und ungepflegt, aber doch sehr schön.«
»Deswegen helfe ich ihr auch ein bisschen. Solange ihr Mann nicht da ist, schafft sie das allein ja alles gar nicht.«
»Ein hübsches Olivenbäumchen hat sie da«, meinte Neri, »sehr niedlich.«
»Die gibt’s im Moment bei Ipercoop als Sonderangebot. Stück zwanzig Euro. Ich überlege auch, ob ich mir ein paar hole.«
»Aber sie hat es dilettantisch eingepflanzt«, fachsimpelte Neri, »grauenvoll! So macht man das nicht, und so wird es auch nichts. Der arme Baum steht ja fast auf einem Berg! Du solltest es neu einpflanzen, Massimo. Mit Gießkranz, wie es sich gehört!«
Magda hatte eine halbe Stunde im Liegestuhl geschlafen, war dann zur Massage gegangen und fühlte sich erfrischt und so locker wie schon lange nicht mehr. Sie konnte schmerzfrei ihre Schulter bewegen und hatte ein warmes, wohliges Gefühl, als läge ein Heizkissen auf ihrem Rücken.
Daher hatte sie auch keine Lust, noch einmal ins Thermalbad zu gehen, sondern beschloss, nach Hause zu fahren.
Es war wesentlich schöner, seine Zeit auf La Roccia zu verbringen, als in Rapolano.
Sie ging in die Umkleidekabine, zog sich an und verließ das Thermalbad.
Magda brauchte fünfzehn Minuten bis zur Abfahrt »del Grillo«, zehn weitere Minuten bis nach Ambra, und dort bog sie auf die kurvige Bergstraße nach Cennina ab.
Sie fuhr langsam, genoss den Tag, die Gegend und das Gefühl absoluter Freiheit. Das Leben war großartig, und das war ihr in diesem Moment sehr bewusst.
In Solata, direkt vor der Abbiegung nach La Roccia, versperrte ein Gaswagen die Straße, der das Haus an der Ecke, in dem vier ständig kläffende Hunde lebten, mit Gas belieferte. Ein Durchkommen war unmöglich, rechts und links von dem riesigen Laster waren höchstens noch dreißig Zentimeter Platz.
Magda stieg aus dem Auto.
Der Fahrer saß im Führerhaus und telefonierte.
»Buongiorno«, grüßte Magda, aber der Fahrer reagierte nicht. »Wie lange brauchen Sie noch?«, fragte sie.
Der Fahrer winkte nur ab und telefonierte weiter.
Okay, dachte Magda, warten wir’s ab. Ich hab’s nicht eilig.
Da ihr die Pumpe des Gaslasters auf die Nerven ging, schob sie eine CD von Tracy Chapman in den CD-Player, drehte die Musik laut und schloss die Augen.
Es dauerte noch zehn Minuten, dann war der Gaslaster fertig, und Magda konnte vorbeifahren.
Direkt hinter der alten Eiche, wo die Straße ihren höchsten Punkt hatte, blieb sie stehen und starrte ungläubig auf ihr Haus.
Zwei Autos standen vor der Tür. Das von Massimo und ein Wagen der Carabinieri.
Und neben dem Haus sah sie Neri, der mit einer Hacke über der Schulter zum Gemüsegarten ging.
Magda hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge, als sie aufs Gaspedal drückte und die Schotterstraße hinunterraste.
Sie hielt vor dem Haus und ging zum Gemüsegarten. Ruhig, aber unterschwellig zornig.
Massimo grub. Er schwitzte stark, und sein Gesicht war hochrot. Die Hälfte der Fläche, die brachgelegen hatte, war fertig.
Neri stand mit der Hacke in der Hand neben dem Olivenbäumchen. »Buongiorno, Signora«, sagte er. Daraufhin drehte sich auch Massimo um.
»Ciao, Magda!« Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht und lächelte.
»Was ist denn hier los?«, flüsterte sie.
»Es sollte eine Überraschung werden, und eigentlich wollte ich fertig sein, bis du kommst, aber das hat ja leider nicht geklappt.«
»Jedenfalls haben wir keine Leiche gefunden«, scherzte Neri. »Wir wollten gerade das Olivenbäumchen ein bisschen professioneller einpflanzen. So fließt ja
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