Die Totengräberin - Roman
auf die Bremse zu treten.
»Ich glaube, es gibt nichts Schöneres, als von dir gefressen zu werden«, flüsterte er und küsste sie.
31
Magda ließ das Wasser aus der Wanne laufen, trocknete sich ab und cremte sich mit einem zart duftenden Body-Öl ein. Ein guter Duft gab ihr oft ein Gefühl von Geborgenheit und lenkte sie von Problemen ab. Auch diesmal tat es ihr gut. Jetzt freute sie sich darauf, ein bisschen auf der Terrasse zu lesen.
Lukas war noch nicht zurück, aber das war auch nicht verwunderlich. Wegen der langen Fahrt nach Montevarchi dauerte so ein Einkauf immer gute vier Stunden, auch wenn man sich beeilte.
Auf dem Boden der leeren Badewanne lag immer noch das gewässerte Handy. Sie nahm es heraus und überlegte, dass sie es einfach wegwerfen würde. Handys waren Gebrauchsartikel, jeder hatte mehrere davon, und man hatte meist Mühe, überhaupt zu erkennen, welches sein eigenes und welches gerade das war, das man in Benutzung hatte.
Sie öffnete es und entnahm ihm die Karte. Dies war das Wichtigste. Dann stieg sie die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, zog sich Jeans und T-Shirt an, warf das Handy achtlos in eine Schublade und ging in die Küche, um die winzige Karte tief im Mülleimer zu versenken.
Ziemlich unverfroren von Carolina, hier anzurufen, fand sie. Sie selbst hätte so etwas nie gewagt.
Aber bei allem, was sie von Carolina wusste und was sie von ihr gehört hatte, passte es zu ihr.
Anfang April bekam Magda einen Niesanfall, als sie Johannes’ Pullover ausschüttelte und in die Waschmaschine steckte. Noch dachte sie sich nichts dabei.
Aber dann häuften sich die Niesattacken. Sie nieste, wenn sie seinen Anzug in den Schrank hängte, wenn sie Johannes umarmte oder auch, wenn sie nur den Flur betrat.
Da sie definitiv wusste, dass sie keinen Heuschnupfen hatte, machte sie diese penetrante und unerklärliche Allergie stutzig.
Eine Woche später sah sie, dass Johannes’ Schuhe mit Schlamm bespritzt waren. Sie nahm sie in die Hand, um sie zu putzen, und bekam den bislang schwersten und am längsten andauernden Allergieanfall. Aber diesmal fand sie auch die Ursache: Unter den Schuhsohlen klebte Pferdemist.
»Was ist das?«, fragte sie Johannes und hielt ihm die Schuhe unter die Nase.
»Keine Ahnung. Dreck.«
»Nein, Hannes, das ist kein normaler Dreck. Das ist Pferdemist! Bist du in einen Misthaufen gefallen?«
»Ich weiß es doch nicht!« Johannes explodierte. »Herrgott noch mal, Magda«, meinte er, »muss ich jetzt Rechenschaft darüber ablegen, wo ich mir die Schuhe schmutzig gemacht habe? Auf welcher Straße ich lang gelaufen, durch welche Pfütze ich marschiert oder in welchen Haufen ich getreten bin? Mach dich doch bitte nicht lächerlich!«
Magda verstummte, aber sie vergaß den Vorfall nicht. Seit Jahren wusste sie, dass sie eine heftige Pferdehaarallergie hatte, und machte einen großen Bogen um Pferdekoppeln
und Bauernhöfe. Schon allein die Requisiten eines Reiters, wie Handschuhe, Stiefel oder Jacken, lösten bei ihr einen Anfall aus.
Ein Pferd, dachte sie. Er hat - verdammt noch mal - Kontakt zu jemandem mit einem Pferd.
Von diesem Tag an begann sie, ihn zu kontrollieren. Sie durchsuchte die Taschen seines Mantels, der an der Garderobe hing, und seine Hosentaschen, wenn die Hose im Schlafzimmer auf dem Bett lag und er im Bad war. Wenn sich die Gelegenheit bot, inspizierte sie alle paar Tage sein Portemonnaie nach eventuellen Restaurantrechnungen oder Quittungen, die sie sich nicht erklären konnte. Aber sie fand nichts Beunruhigendes.
Mitte April sagte er, er müsse nach Hannover. Um die neue Filiale zu kontrollieren und mit einem Großkunden zu verhandeln, der vorhatte, mit seiner gesamten Firma nach Polen umzuziehen. Zwei Tage wollte er wegbleiben.
Das Wetter war umgeschlagen. Nach einer sonnigen Woche mit unglaublicher Wärme, fast schon wie im Sommer, hatte ein schweres Unwetter mit Sturm und Hagel die Kälte zurückgebracht. In den Höhenlagen ab fünfhundert Meter begann es zu schneien. Johannes fuhr bereits Sommerreifen, und sie machte sich Sorgen um ihn. Außerdem wusste sie, dass er viel zu leichte Kleidung dabeihatte. Keinen Mantel und keine dicke Jacke. Auf einen Wintereinbruch war er überhaupt nicht vorbereitet.
Um sechzehn Uhr rief sie ihn an. Im ersten Moment wunderte sie sich, dass sie es klingeln hörte. Richtig laut und ganz nah. Sie brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass er sein Handy hier in der Wohnung vergessen hatte. Schließlich fand
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