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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Alles Gute. Johannes.« Und darunter seine Handynummer.
    Dann sah er sie ein letztes Mal an, drückte ihre Hand und verließ leise das Krankenzimmer.
    Der Oberschwester nickte er nur zu, als er an ihrer gläsernen
Beobachtungszelle vorüberging. Vielleicht würde sie sich fragen, aus welchem Zimmer er gekommen war - vielleicht auch nicht.
    Als er das Krankenhaus verließ, war es kurz vor acht. Er wählte die Handynummer von Dr. Schönfeld und entschuldigte sich für sein Fernbleiben. Es habe einen schweren Unfall gegeben, bei dem eine Freundin von ihm verletzt worden sei.
    Dr. Schönfeld war sehr reserviert, aber fragte nicht weiter nach. Johannes war erleichtert, als sie einen Termin für den nächsten Tag ausmachten.
    Dann fuhr er zurück nach Berlin.
    Magda erzählte er, der Termin bei Dr. Schönfeld sei wenig effektiv gewesen, da dessen Frau nicht da gewesen war. Und es gäbe mehrere Punkte, die ihr Mann nicht ohne sie entscheiden wolle. Daher müsse er morgen noch einmal nach Prenzlau fahren.
    Von der Motorradfahrerin, die er ins Krankenhaus begleitet hatte, erzählte er nichts. Er hatte Magda noch nie belogen. Warum er es an diesem Abend zum ersten Mal tat, wusste er nicht.
     
    Vier Wochen später rief sie an.
    »Johannes?«
    »Ja?«
    »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, sagte sie.
    Er wusste sofort, dass sie es war, und spürte, wie ihm heiß wurde.
    »Nicht dafür. Wie geht es Ihnen?«
    »Gut. Besser. Aber es wird noch ein, zwei Wochen dauern, bis ich wieder fahren kann. Auf’ner Harley, mein ich.«

    Johannes seufzte. »Hör’n Sie auf damit. Es ist zu gefährlich.«
    Sie lachte. »Das geht schlecht, denn es ist mein Beruf. Ich verkaufe Harleys.«
    Beide schwiegen einen Moment. Dann fragte sie leise: »Sie waren lange im Krankenhaus. Ich hab das nicht registriert, aber die Schwestern haben es mir erzählt. Warum?«
    »Keine Ahnung. Ich hatte das Gefühl, Sie brauchen das.«
    »Danke«, wiederholte sie.
    »Ich hätte gern Ihre Telefonnummer.«
    »Die gebe ich Ihnen, wenn wir zusammen essen gehen. Ich möchte Sie einladen.«
    Sie verabredeten sich in einer kleinen Pizzeria in der Pestalozzistraße. Am kommenden Mittwoch, zwanzig Uhr.
    Johannes musste sich setzen. Aber dann versuchte er, sich selbst zu beruhigen. Dies war ein pflichtgemäßer Anruf gewesen. Keine Frage. So wie ein Kind sich bei der Oma bedanken muss, wenn es ein langweiliges Bilderbuch geschenkt bekommen hat. Mehr konnte er auch nicht erwarten. Sie kannte ihn nicht. Sie hatte ihn sicher überhaupt nicht wahrgenommen, hatte noch nicht einmal ein Gesicht vor Augen. Nur ein paar Worte auf einer Kaugummipackung und die Erzählungen der Schwestern. Die ihn vielleicht beschrieben hatten. Von klein und rund bis groß und dünn. Zwischen zwanzig und sechzig.
    Aber sie hatte ihn zum Essen eingeladen und wollte ihn wiedersehen.
    An diesem Abend beobachtete er Magda, wie sie durch die Küche ging, den Salat wusch und den Tisch deckte. Dabei fielen ihm die kleinen Fältchen in ihren Augenwinkeln auf, die er atemberaubend schön fand. Das ist meine Frau, dachte er, sie ist wunderbar, sie gefällt mir immer noch nach
all den Jahren, aber ich bin in meinen Gedanken bei einer anderen.
    Magda war guter Laune. Sie erzählte von ihrem Tag in der Apotheke, lachte dabei, setzte sich ihm auf den Schoß, umarmte ihn und küsste ihn aufs Haar. Und Johannes überlegte unterdessen unentwegt, welche Ausrede ihm für den Mittwochabend einfallen könnte.
    Magda hatte Wachteln in Knoblauchöl gebraten und servierte sie zusammen mit Oliven und Käse und einem gemischten Salat. Darüber hatte sie sündhaft teuren Balsamicoessig geträufelt. Anfangs hatte Johannes gedacht, für dieses Geld solle man sich lieber eine gute Flasche Wein kaufen, aber allmählich hatte er eingesehen, dass dieser Essig jeden Salat zu einem Erlebnis machte. Magda schnitt frisches Weißbrot und zündete Kerzen an.
    »Guten Appetit«, sagte sie. »Lass es dir schmecken.«
    Johannes wusste es zu schätzen, dass sie ihm jeden Abend ein fantastisches Essen zubereitete, zumal er im Büro fast nur Tee trank und höchstens ein bisschen Obst aß. Sie war einfach eine begnadete Köchin und genoss es, ihn zu verwöhnen. Eigentlich konnte er sich nicht daran erinnern, mit Magda jemals unglücklich gewesen zu sein.
    Die Wachteln waren köstlich, aber er schmeckte sie kaum, zu sehr war er in Gedanken bei Carolina.
    Nach dem Abendessen räumte sie den Tisch ab, und er hörte, wie sie abwusch. Unvorstellbar,

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