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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Arbeitszimmer.
    Ihm fiel auf, dass die ganze Wohnung penibel sauber und aufgeräumt war. Er wusste, dass Magda immer anfing zu putzen, wenn sie unglücklich war. Sie war von Natur aus schon ein sehr ordentlicher Mensch, und das konnte sie, wenn sie depressiv oder verzweifelt war, noch bis ins Unerträgliche steigern.
    Er hatte Lust, Carolina anzurufen. Mehrmals nahm er
den Hörer in die Hand und wählte ihre Nummer, legte jedoch jedes Mal auf, bevor sie sich meldete.
    Den ganzen Nachmittag saß er an seinem Schreibtisch und wusste nichts mit sich anzufangen. In der Wohnung war es still, er hatte keine Ahnung, was Magda gerade tat. Er versuchte zu arbeiten. In den letzten Wochen war viel Unerledigtes liegen geblieben, aber es ging nicht. Er konnte sich nicht konzentrieren. Gegen sechs schlief er auf seiner Schreibtischplatte ein.
    Um acht wurde er davon wach, dass Magda den Fernseher einschaltete und sich die Tagesschau ansah. Er ging in die Küche und aß das Steak. Kalt und im Stehen. Den Salat und die Zitronencreme rührte er nicht an.
    Im Wohnzimmer setzte er sich neben sie.
    »Wie hast du es herausbekommen?«, fragte er.
    »Dein Handy ist wie ein offenes Buch. Du hättest deine ausführliche und peinliche SMS-Kommunikation vielleicht lieber löschen sollen.«
    »Bist du jetzt bereit, mit mir zu reden?«
    »Nein. Ich möchte einfach nur allein sein.«
    Johannes verließ die Wohnung und ging zu seinem Lieblingsitaliener Francesco, drei Straßen weiter. Dort bestellte er sich ein einfaches Nudelgericht und eine Flasche Wein und wusste nicht weiter.
    Als er nach Hause kam, ging er fest davon aus, dass Magda im Gästezimmer schlafen würde. Aber das tat sie nicht. Sie lag mit dem Gesicht zur Wand im gemeinsamen Bett und schlief tief und fest. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Nichts deutete darauf hin, dass sie spürte, wie Johannes leise und vorsichtig unter die Decke schlüpfte und sich neben sie legte.

    Magda wurde immer schweigsamer. Zu Johannes sagte sie nur noch das Allernotwendigste. Sie bereitete ihm stumm das Frühstück, trank eine Tasse schwarzen Kaffee und ging in die Apotheke. Abends kochte sie wie gewohnt, nur dass sie selbst nicht mitaß, sondern in ihrem Zimmer las, fernsah oder am Computer saß, was sie sonst nie getan hatte.
    Aber er traf sich dennoch mit Carolina. Mindestens zweimal in der Woche. Nur dass er es nicht mehr heimlich tat.
    Eines Abends - Johannes war gerade nach Hause gekommen und stand vor dem geöffneten Kühlschrank, um zu sehen, was er essen könnte - schrak er regelrecht zusammen, als sie plötzlich hinter ihm in der Küche auftauchte und mit klarer, deutlicher Stimme sagte: »Ich habe Urlaub eingereicht. Nächste Woche fahre ich nach Italien. Für sechs Wochen. Mindestens.«
    Johannes war so überrascht, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.
    Magda nahm sich ein Stück Käse aus dem Kühlschrank, nestelte zwei Scheiben Knäckebrot aus der Verpackung und wollte gerade wieder die Küche verlassen, als Johannes vorsichtig fragte:
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich mitkomme?«
    »Allein?«
    »Natürlich allein. Dachtest du, ich bringe Carolina mit in unser Haus?«
    Zum ersten Mal hatte er den Namen »Carolina« ausgesprochen, und er sah sehr deutlich, wie Magda zusammenzuckte. »Ich würde gern mit dir zusammen in die Toskana fahren.«
    Sie sagte nur: »Bitte«, und ihr Ton war so ambivalent, dass er nicht genau wusste, ob sie ihn darum bat oder ob sie ihn nur duldete.

    »Am Wochenende bin ich nicht da«, meinte Carolina eher beiläufig, als Johannes mit ihr zusammen in der Badewanne lag. »Ich möchte an einem Survival-Training im Schwarzwald teilnehmen. Drei Tage und Nächte ohne geeignete Ausrüstung im Wald. In der Kälte und Nässe übernachten und sich von dem ernähren, was man findet. Ich will es lernen, im feuchten Wald ein Feuer zu machen, und will die Pilze und Beeren kennenlernen, die ich essen kann, ohne mich zu vergiften.«
    »Tolle Idee«, brummte Johannes und wusste nicht, was er davon halten sollte. Er spürte, dass er eifersüchtig war. Auf jeden, der mit Carolina zusammen sein konnte. Es war Wahnsinn, aber er wurde fast verrückt bei dem Gedanken, dass sie mit anderen Männern auf durchweichtem Waldboden saß und an halb verrotteten Pilzen kaute.
    »Handys sind bei dieser Tour übrigens verboten«, fügte sie noch hinzu. »Ich werde also nicht zu erreichen sein. Nur, dass du dich nicht wunderst.«
    Er wunderte sich nicht, sondern litt wie ein Hund. Das

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