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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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sie es im Schlafzimmer auf dem Nachttisch.

    Sein Handy in der Hand zu halten war ein Gefühl, als öffne sie eine geheime, jahrelang abgeschlossene Schublade. Magda zitterte, als sie im Menü »Mitteilungen« anklickte und dann »Eingang«.
    Ich freue mich auf Dich. In Liebe. C. stand in der letzten eingegangenen SMS.
    Magda wurde schwindlig. Sie setzte sich aufs Bett und musste ein paar Sekunden warten, bis sie sicher war, nicht ohnmächtig zu werden.
    Sie klickte nun der Reihe nach alle gespeicherten Mitteilungen mit derselben Nummer an:
    • Morgen Abend passt mir gut. Ich umarme Dich. C.
    • Ich habe Sehnsucht nach Dir. C.
    • Können wir uns irgendwann mal länger sehen? Nicht immer nur drei Stunden … C.
    • Wenn Du gegangen bist, ist es ganz schlimm. Ich vermisse Dich. C.
    • Was für eine tolle Idee! Zwei Tage und zwei Nächte! Ich bin so glücklich! C.
    • Ich habe mir freigenommen. Wir werden jede Sekunde genießen. C.
    • Wann kommst Du am Montag? Schon zum Frühstück? C.
    • Ich freue mich auf Dich. In Liebe. C.
Magda stand auf, warf das Handy auf die Tagesdecke und ging aus dem Schlafzimmer.
    Ihre Gedanken blockierten. Alles erschien ihr dumm und aussichtslos. Jetzt war es Viertel nach vier. Johannes war seit sieben Stunden weg, wahrscheinlich seit sechseinhalb Stunden bei C. Falls sie in Berlin wohnte. Aber davon war eigentlich auszugehen, wenn sie sich oft nur für ein
paar Stunden trafen. Es war ja keine Kunst, ein bisschen früher die Firma zu verlassen und dann etwas später als gewohnt nach Hause zu kommen. Johannes war der Chef. Er konnte kommen und gehen und tun und lassen, was er wollte. Niemand kontrollierte ihn. Vielleicht trafen sie sich sogar mehrmals in der Woche. Nur sie selbst hatte nichts gemerkt.
    C. Eine Frau mit einem Pferd. Darum hatte Johannes Pferdemist an den Schuhen gehabt.
    Magda wurde wütend. Die Wut gab ihr die Kraft zurück, und sie ging wieder ins Schlafzimmer, war bereit, auch noch zu lesen, was Johannes geschrieben hatte.
    Männer sind ja so fürchterlich einfallslos, dachte Magda, als sie sah, dass Johannes fast immer nur mit den gleichen Worten geantwortet hatte.
    Ich vermisse Dich auch stand da. Oder Ich hab auch Sehnsucht nach Dir. Große!
    Und dann: Ich sage meiner Frau, ich muss Montag bis Mittwoch nach Hannover. Dann haben wir viel Zeit. Nur für uns. Johannes.
    Magda hatte genug gelesen. Sie schrieb sich C.’s Nummer auf und schaltete das Handy ab. Langsam kroch der Schmerz durch ihren Körper wie eine Raupe, die sich durch ein Blatt frisst und nichts weiter als Leere hinterlässt.
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie rannte in Johannes’ Arbeitszimmer und durchsuchte hektisch jede Schublade, alle Aktenschränke und sah sogar unter die Schreibunterlage. Um einen winzigen Hinweis auf C. zu finden. Wer war C.?
    Sie wollte hinfahren, die beiden in flagranti erwischen und nur noch sagen: »Das war’s.« Sich umdrehen und gehen. Nie wieder ein Wort mit Johannes wechseln. Ihre Vergangenheit
auslöschen und ihn aus ihrem Gedächtnis streichen. Sie wollte wie die Gewinnerin vor diesen beiden nackten Körpern stehen und den einen kleinen, kurzen Moment des Triumphes genießen.
    Aber all ihre Träume waren zwecklos. Auch in seinem Computer fand sie keinen Hinweis auf die Identität dieser C.
    Dann setzte sie sich im Wohnzimmer in ihren Lieblingssessel mit den breiten Armlehnen, über die man sogar die Beine hängen lassen konnte, ohne dass sie einschliefen, und fing an zu weinen.
    Was Magda in den kommenden Stunden an diesem Abend noch tat, wusste sie später nicht mehr. Sie fühlte sich wie unter einer Glasglocke, durch die man alles sieht, aber nichts mehr hört.
    Wie betäubt ging sie durch die Wohnung, als müsse sie Abschied nehmen. Immer wieder von Zimmer zu Zimmer, blieb vor jedem Bild stehen, blätterte in dem einen oder anderen Buch und nahm kleine Dinge in die Hand, die ihr einmal etwas bedeutet hatten. Sie waren ihr gleichgültig geworden.
    Sie stellte sich vor, ein Feuer würde alles vernichten, und es machte ihr nichts aus. Es gab nichts, dem sie nachtrauern würde, sie war schon gar nicht mehr hier, gar nicht mehr lebendig.
    Ein einziger Satz kreiste unentwegt in ihrem Kopf: Wenn einer den andern betrügt, ist das Leben zu Ende.
    Lange stand sie auf dem Balkon und sah hinunter auf die Straße. Spring!, dachte sie, es muss wundervoll sein, auf dem Bürgersteig zu zerschmettern und nichts mehr zu spüren.
    Wer ist diese Frau, mit der er ständig

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