Die Totengräberin - Roman
ganze Wochenende. Sie hauste im Wald, und ihm fehlte die Kraft, irgendetwas zu unternehmen.
Am Dienstag nach dem Survival-Wochenende umarmte Carolina Johannes stürmisch.
»Ach Schatz«, jubelte sie und zog Johannes ins Wohnzimmer, »die drei Tage waren einfach wunderbar!« Dann wurde sie schlagartig ernst. »Es ist ja egal, du erfährst es sowieso irgendwie, und ich hasse Heimlichkeiten wie die Pest. Er heißt Frederick, ist Biologiestudent und einfach süß.«
Johannes fühlte sich, als hätte man ihm mit einem Baseballschläger auf den Kopf geschlagen.
»Ich will dir nichts vormachen«, sagte Carolina, »aber
ich liebe euch beide. So wie du wahrscheinlich deine Frau und mich liebst. Es ist genau dasselbe. Also, wo ist das Problem?«
Das Problem war, dass Johannes einen Stich ins Herz spürte, wenn er daran dachte. Der Kerl war zwanzig oder sogar fünfundzwanzig Jahre jünger als er. Plötzlich kam er sich vor wie ein alter Trottel, und Carolinas Faszination verblasste. Er hatte sie nicht mehr für sich allein, sie war kein Hauptgewinn mehr, sondern ein Wanderpokal.
Es war wenige Tage vor dem Urlaub. Als Johannes nach Hause kam, stand Magda gerade auf der Leiter und hängte frisch gewaschene Gardinen auf. Johannes hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, fühlte sich abgespannt und müde und überlegte, ob er noch bei Carolina vorbeifahren sollte oder nicht.
Magda stieg sofort von der Leiter herunter, als er ins Wohnzimmer kam.
»Ich muss mit dir reden«, sagte sie und lächelte sogar zaghaft. »Machst du uns eine Flasche Wein auf?«
So einen Satz hatte er schon ewig nicht mehr von ihr gehört. Eigentlich nicht mehr, seit sie von Carolina erfahren hatte.
Als er mit der Flasche und zwei Gläsern wiederkam und ihnen beiden einschenkte, hatte Magda die Leiter schon an die Wand gestellt. Erschöpft fuhr sie sich mit der Hand durch die Haare.
»Ich will das noch vor der Abreise schaffen«, meinte sie entschuldigend, »denn ich hasse es, aus dem Urlaub zurückzukommen und einen Berg von Arbeit vor mir zu haben.«
»Prost, Magda«, sagte Johannes leise und hob sein Glas.
»Wie schön, dass wir endlich mal wieder zusammensitzen und miteinander reden.«
Magda drehte ihr Glas in den Fingern, bis sie anfing zu sprechen.
»Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss«, begann sie zögernd. »Etwas, das mich sehr irritiert und vollkommen durcheinanderbringt.«
Johannes sah sie erwartungsvoll an.
»Was denn?« Er war ganz ruhig, hatte das Gefühl, dass ihn zurzeit ohnehin nichts mehr erschüttern konnte.
»Wir haben in letzter Zeit nicht mehr miteinander geschlafen, aber bevor ich das mit Carolina erfahren habe, war das anders. Erinnerst du dich?«
»Natürlich.« Es war ihm fast peinlich.
»Ich bin schwanger, Johannes.« Sie sagte das vollkommen überzeugend und hatte bei dieser Lüge auch nicht das geringste schlechte Gewissen. Im Gegenteil. Vielleicht begriff er jetzt endlich, dass er sich entscheiden musste.
Er starrte sie fassungslos an. »Ich dachte nicht, dass das noch passieren kann.«
»So alt bin ich noch nicht.« Sie lächelte. »Aber meine Tage kommen unregelmäßiger als früher. Da habe ich mich wohl vertan.«
»Und jetzt?« In seinem Kopf drehte sich alles. Er war nicht in der Lage, vernünftig über die neue Situation nachzudenken.
»Jetzt ist gar nichts. Ich wollte es dir nur sagen. Mehr nicht.«
Johannes musste plötzlich an Thorben denken, aber es tat zu weh, und er verdrängte den Gedanken schnell wieder. Und schämte sich in diesem Moment, dass er so selten an ihn dachte.
Magda stand auf und ging in ihr Zimmer. Den Wein ließ sie stehen. Sie hatte kaum einen Schluck getrunken.
Johannes blieb sitzen und trank allein weiter.
Magda war offensichtlich ins Bett gegangen, denn sie kam nicht mehr wieder.
Carolina kam ihm wieder in den Sinn. Und merkwürdigerweise prickelte es gar nicht, als er an sie dachte, es fühlte sich eher taub an. Carolina mit ihrer neuen Errungenschaft, diesem Frederick, mit dem man wahrscheinlich wunderbar nachts im Wald übernachten konnte, wenn Wölfe heulten und einem die Ameisen in die Hose krochen. Dieser tolle Hecht schaffte es sicher, auf klatschnasser Wiese mit ein paar dünnen Zweigen ein Feuer zu entzünden, trieb es wohl am liebsten auf dem harten Waldboden zwischen Wurzelstrünken und Brennnesseln und kam den ganzen Tag mit einem Schluck Wasser aus dem Bach und ein paar zerkauten Löwenzahnblättern aus.
Mit so einem Supertypen konnte er
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