Die Totengräberin - Roman
ausgebucht«, sagte der Glatzkopf mit einem arroganten Unterton, der beinhaltete: Alle anderen sind mit ihren Zimmern hochzufrieden, nur Sie nicht, Sie Nervbolzen. Arrangieren Sie sich mit Ihrer Begleiterin, dann haben Sie’s gemütlich.
Lukas knallte den Hörer auf die Gabel und überlegte, ob sie das Hotel wechseln sollten. Aber jetzt im Sommer war in Rom Hochsaison, es war nicht einfach, überhaupt ein Zimmer zu finden. Und so ekelhaft, wie der Mann an der
Rezeption gestrickt war, würde er keinen Cent wieder herausrücken.
Er öffnete seine Reisetasche, hängte drei Hemden, die leicht knautschten, auf Bügel in den Schrank, zog die schweren Übergardinen vor dem Lichtschacht fest zu und ging ins Bad. Dort sortierte er seine wichtigsten Toilettenartikel auf den Waschbeckenrand, wusch sich die Hände, fuhr sich mit der Bürste durch die Haare und erneuerte sein Deo. Eigentlich hatte er vorgehabt, noch kurz zu duschen, um sich zu erfrischen, aber im Hinblick auf die ekelerregende Duschkabine ließ er es bleiben. Es würde ihn morgen früh schon genug Überwindung kosten, die Dusche zu benutzen.
Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit klopfte er an Magdas Tür. Sie öffnete sofort. »Komm rein«, sagte sie, »ich bin fast fertig.«
Ihr Zimmer kam ihm im Gegensatz zu seinem vor wie ein Palast.
»Und? Wie ist dein Zimmer?«, fragte sie aus dem Bad, während sie sich die Wimpern tuschte. »Alles in Ordnung?«
»Alles gut«, sagte er und hoffte, sie würde seinen resignierten Unterton nicht bemerken. Denn er wusste, dass sie sofort darauf bestehen würde, ein anderes Hotel zu suchen, wenn sie erführe, in welcher Bruchbude er heute Nacht überleben musste.
Ganz in der Nähe, in der Via Borgo Vittorio, fanden sie eine kleine Trattoria, wo sie an einem von zwei auf der Straße vorhandenen Tischen sitzen und ein Pastagericht bestellen konnten. Und obwohl Magda das Essen in nahezu perfektem Italienisch orderte, antwortete der Kellner ausschließlich
auf Englisch, worüber sich Magda ärgerte. Sie schwor sich, dieses kleine Restaurant nie wieder zu besuchen, obwohl die hausgemachten Pici ausgezeichnet schmeckten.
»Was hast du genau vor«, fragte Lukas beim Kaffee nach dem Essen, »wo und wann sollen wir mit der Suche beginnen?«
Magda zog mehrere eng bedruckte Seiten aus ihrer Handtasche. »Ich habe mir eine Hotelliste aus dem Internet herausgesucht und die Hotels ausgedruckt, die Johannes gewählt haben könnte. Im Grunde ausschließlich Viersternehotels. Fünfsternehotels sind ihm zu teuer und Dreisternehotels zu primitiv. Die meisten Hotels auf meiner Liste liegen dicht beieinander in der Innenstadt. Es wird nicht schwierig sein, sie alle abzuklappern und vor allem Johannes’ Bild zu zeigen. Johannes hätte sich niemals irgendwo außerhalb eingemietet, denn er fuhr grundsätzlich nicht U-Bahn, und jeden Tag ein Taxi zu nehmen, um überhaupt ins Zentrum zu kommen … Nein, das hätte er nie getan.«
Lukas sah eine unerträglich langwierige, kräftezehrende und vor allem vergebliche Rumrennerei auf sich zukommen, aber er sagte nichts.
»Mit den Restaurants ist das schon schwieriger«, fuhr Magda fort, »es gibt einfach zu viele. Und Johannes könnte an jeder Ecke ein schnelles Pastagericht gegessen haben. Aber irgendwann wird er auch mal richtig aufwendig essen gegangen sein. Und das ist unsere Chance, weil er nicht gerne Fleisch isst. Er hätte sich also ein Fischrestaurant gesucht. Fisch liebt er. Den könnte er viermal in der Woche essen.«
Lukas nickte.
»Vielleicht sollten wir auch zur römischen Polizei gehen und uns nach den Krankenhäusern erkundigen. Ob irgendwo jemand eingeliefert wurde oder gestorben ist.« Sie schluckte, als sie das sagte, und ihre Augen röteten sich. »Und natürlich die Flughäfen. Rom hat zwei, Ciampino und Fiumicino. Ich glaube zwar nicht, dass Johannes irgendwo hingeflogen ist, aber man kann ja nie wissen.«
»Wollte sich nicht der Commissario in Ambra um die Krankenhäuser kümmern? Und vielleicht hat er auch bei den Flughäfen nachgefragt?«
»Ich glaube es nicht, er sieht nicht aus, als würde er sich großartig für den Fall interessieren, aber wir können ihn ja mal anrufen.«
Für sie war Johannes also schon ein »Fall«. Als wäre etwas passiert.
»Das, was du vorhast, ist sicher alles schön und gut und auch richtig, aber es ist Wahnsinn, Magda. Wer erinnert sich schon an einen Touristen? Johannes sieht völlig unauffällig aus. Da müsste er schon nackt auf
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