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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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nicht ab, jedenfalls nicht hier auf dem Land.
    Topo schlenderte über das Grundstück. Er war mutiger geworden, fühlte sich unbeobachtet, denn inzwischen war er vollkommen sicher, dass niemand im Haus war.
    Ah, dachte Topo, als er ein paar Schritte gegangen war, was ist denn hier? Genug Platz für einen Gemüsegarten, aber noch nichts gepflanzt? Porcamiseria, wir haben Hochsommer, es wird höchste Zeit! Die Erde sieht fantastisch aus. Satt und fruchtbar. Im kleinen Gärtchen am Haus seiner Mutter gedieh noch nicht einmal der Cavolo nero, der schwarze Kohl für die Ribollita im Winter.
    Er trat näher. Ein Olivenbäumchen war frisch gepflanzt, das sah er sofort. Ungewöhnlich in einem Gemüsegarten. Die lockere Erde drum herum war zerwühlt, Wildschweine hatten den Platz in der vergangenen Nacht ordentlich umgepflügt. Topo trat näher.
    Was er dann sah, ließ ihm den Atem stocken. Ein gegrabenes Loch hinter dem Olivenbäumchen war tiefer, als er gedacht hatte, und als er sich darüberbeugte, sah er ein zerrissenes Stückchen grünes Plastik und zwei Glieder eines Ringfingers.
    Topo machte unwillkürlich einen Satz zurück. Zitternd
starrte er auf das Erdloch, angewidert und fasziniert zugleich. Bisher war ihm sein Herz noch nie so sehr bewusst geworden, jetzt spürte er, dass es in seiner Brust schlug wie ein schwerer Motor, der bis zum Limit hochgezogen wird.
    Langsam, beinah Zentimeter für Zentimeter ging er wieder näher an die Stelle heran und begann vorsichtig, die Erde mit der Schuhspitze zur Seite zu schieben. Nur einen Augenblick dachte er daran, dass er erst kurz vor dem Tod seiner Mutter die schwarz glänzenden, handgearbeiteten Schuhe bei Sutor Mantellassi in Florenz für vierhundertfünfzig Euro gekauft hatte und sie jetzt bei dieser Graberei wahrscheinlich völlig ruinieren würde.
    Er sah sich nach einem anderen Hilfsmittel um und fand einen relativ dicken Stock und einen flachen Stein, wie eine Schieferplatte in der Größe eines Frühstückstellers. Er kniete sich hin, obwohl ihm klar war, dass er auch seine Armani-Hose zugrunde richten würde, und begann mithilfe des Stocks und des Steins vorsichtig zu graben.
    Die Erde war trocken und krümelig, schob sich unter seine Fingernägel, und es gab nichts, was Topo mehr hasste. Sein Rücken schmerzte wegen der ungewohnten gebückten Haltung, und der Schweiß lief ihm über die Stirn.
    Ab und zu hielt er inne, sah sich um und horchte, ob sich auch wirklich kein Wagen, kein Spaziergänger oder gar die Signori von La Roccia näherten. Aber er war allein, und bis auf das Zirpen der Zikaden war es ruhig.
    Und schließlich kam wahrhaftig ein Plastiksack zum Vorschein, eine blaue, handelsübliche Mülltüte.
    Das Grauen wurde immer größer, und er hätte am liebsten aufgehört und die Flucht ergriffen, aber seine Neugier war stärker.
    Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen, riss mit
spitzen Fingern das Plastik auf und schwor sich, nie wieder ohne Gummihandschuhe aus dem Haus zu gehen.
    Bestialischer Gestank waberte ihm entgegen, und was er dann sah, war so grauenvoll, so ekelerregend und unwirklich, dass er laut schrie, wegrannte und erst kurz vor dem Haus anhielt. Er lehnte an einem Baum und würgte. Zum ersten Mal bekam er eine Vorstellung davon, was Übelkeit und Ekel wirklich waren, und musste sich übergeben.
    Schwer atmend stand er eine Weile gebeugt. Sein Magen rebellierte immer noch. Dann ging er widerwillig zum Grab zurück. Es musste sein.
    Er kannte den Mann nicht, dessen bleiches Gesicht in der Erde lag. Maden krochen über die Augen, die tief eingefallen und verschrumpelt waren, Würmer ringelten sich über den trockenen, blassen Hautfetzen, die einmal Lippen gewesen waren.
    Topo starrte auf die Leiche und versuchte sich einzuprägen, was er sah. Sein Herz pumpte wie wild, und er hatte das Gefühl, gerade ganz bewusst zu erleben und zu begreifen, dass sein Leben dabei war, in eine vollkommen andere Richtung zu steuern. Irgendetwas war dabei, sich zu verändern, und er wusste nicht, ob es gut oder schlecht war und welche Rolle er dabei spielte. Er spürte nur die Aufregung, die ihn erfasste.
    Beinah automatisch und ohne groß darüber nachzudenken, zog er sein Fotohandy aus der Tasche und fotografierte den Toten. Zehnmal, von oben und von der Seite, aus der Nähe und aus der Distanz, in allen Varianten, die ihm einfielen.
    Schließlich versuchte er, mit dem Stock wenigstens einiges von dem zerrissenen Plastik wieder über den Kopf zu

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