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Die Toteninsel

Die Toteninsel

Titel: Die Toteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Tempel wieder. Nach ungefähr hundert Schritten stießen sie auf ein weiteres, ähnliches Häuschen. Auch in dessen Innerem gab es eine hölzerne Statue. Es überraschte nicht, daß diese anders war. Auf einem durchaus menschlichen Körper saß ein schuppiger Fischkopf, und ein gezackter Rückenkamm zog sich über den Nacken bis zwischen die Schulterblätter. Die Hände besaßen nur vier Finger, die durch Schwimmhäute miteinander verbunden waren.
    »Ihr Meeresgott«, vermutete Gerrek. »Mag sein, daß er tatasischen Fischern ertragreiche Fischgründe weist.«
    Nach und nach entdeckten sie insgesamt zwölf dieser kleinen Tempel, die wie Perlen auf einer Schnur in gleichen Abständen hintereinander aufgereiht waren. Mit Kies geschüttete Wege zogen sich zwischen ihnen dahin.
    »Diese Linie weist von Ost nach West und symbolisiert damit Anfang und Ende allen Lebens«, sagte Fronja. »Ähnliche Tempelanlagen wurden früher auch auf den Inselwelten in der Dämmerzone Vangas errichtet.«
    Mythor nickte verstehend.
    »Ich glaube, wir haben genug herausgefunden. Kehren wir zu Carlu men zurück. Wir werden in der Bucht abwarten, bis Caeryll und der gesamte Organismus der Fliegenden Stadt sich wieder erholt haben.«
    Ein Hauch von Helligkeit lag bereits zwischen den Bäumen, deren Stämme zum Teil selbst von vier oder fünf Männern nicht umfangen werden konnten. Vermutlich war es nicht mehr lange hin bis zum Morgengrauen. Hoch über der Insel schrien Vögel.
    Plötzlich blieb Gerrek stehen. Ein Laut des Entsetzens entrang sich seinen hornigen Lippen.
    »Die Toten erwachen zum Leben«, stammelte er.
    Zwischen zwei Büschen erhob sich ein Skelett. Silbern schimmerten die bleichen Knochen durch den Nebel. Langsam breitete es die Arme aus…
    Gerrek zerrte sein Kurzschwert aus der Scheide.
    »Die Dämonen haben uns gefunden. Es wird ein ungleicher Kampf werden.«
    »Ich spüre nichts Dämonisches«, erwiderte Fronja. »Aber trotzdem…«
    Sie lief los, und Mythor war sofort neben ihr. Beider Fackeln zeichneten helle Linien in die Dämmerung. Als sie den Platz zwischen den Büschen erreichten, war das Skelett verschwunden.
    »Wo kann es hin sein?« Mythor stocherte mit Alton zwischen den Ästen umher, fand jedoch nichts. Auch am Boden entdeckte er keine Spuren. Allerdings war das Erdreich mit dicken Moospolstern überwuchert.
    »Vielleicht sollte es eine Warnung sein«, überlegte Gerrek. »Immerhin haben wir alle drei gesehen, wie das Skelett sich bewegte, als wolle es uns zu sich holen.«
    Mythor machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Ich glaube, dahinter steckt etwas anderes.«
    Ohne aufgehalten zu werden, erreichten sie das zurückgelassene Boot. Die Flut hatte fast den gesamten Uferstreifen überspült. Da es im Osten schon merklich heller wurde, waren die Umrisse von Carlumen draußen auf der Bucht einigermaßen deutlich zu erkennen.
    Mythor war aufgefallen, daß Gerrek zuletzt mehrfach herzhaft gegähnt hatte. Auch ihm und Fronja würden einige Stunden Schlaf mehr als nur guttun.
    Die Tochter des Kometen lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Mythor«, flüsterte sie leise. »Halte mich ganz fest.«
*
    Laute, sich gegenseitig übertönende Stimmen rissen ihn aus tiefem, traumlosen Schlaf. Es bedurfte einiger Augenblicke, ihn sich in der so jäh veränderten Welt zurechtfinden zu lassen.
    Was die Stimmen sagten, verstand er nicht, aber er entnahm ihrem Klang, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen war. Im Nu hatte er seine Kleider angelegt und das Schwert gegürtet.
    Auch Fronja richtete sich noch halb schlaftrunken auf.
    »Da sind wieder diese Vögel«, sagte sie. »Hörst du?«
    An Deck stellte Mythor fest, daß die Sicht merklich besser geworden war. Der Nebel lastete über dieser Insel und ihrer Bucht längst nicht so dicht wie anderswo.
    »Was ist geschehen?« fragte er den nächstbesten Carlumer, der an ihm vorbeieilte.
    »Schiffe!« stieß der Mann hervor. »Dutzende. Wir sitzen in der Falle.«
    Unwillkürlich blickte Mythor in Richtung auf das offene Meer, doch die Aufbauten der Fliegenden Stadt versperrten ihm die Sicht. Dennoch fühlte er, daß da etwas war, und der Mann neben ihm nickte heftig.
    »Tertish soll zu mir kommen«, befahl der Sohn des Kometen.
    Von der Wehr aus wurde der Blick auf die enge Passage zwischen den Klippen nicht behindert. Mythor ballte unwillkürlich die Fäuste, als er die vielen großen Doppelrumpfschiffe sah, die dicht vor der Küste vor Anker lagen.
    »Sie wissen genau, wo wir

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