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Die Toteninsel

Die Toteninsel

Titel: Die Toteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Vanga«, erklärte Mythor, »lebte auch eine Hexe, die dir diese wunderschöne Gestalt eines Beuteldrachen gegeben hat.«
    »Mach dich nur lustig über mich, Kometensohn. Ich wünsche dir jedenfalls nicht, daß dir eines Tages ein ähnliches Schicksal…«
    Hoch über ihnen ertönte der heisere Schrei eines Vogels. Unvermittelt brach Gerrek ab und starrte in die Höhe.
    »Seltsam«, murmelte er dann. »Ich hätte schwören können, eine Stimme gehört zu haben.«
    Der Sandstrand war unterschiedlich breit. An manchen Stellen maß er bis zu zehn Schritt, an anderen erstreckte sich der Pflanzenwuchs bis unmittelbar ans Wasser.
    Aber nichts war Wildnis. Weder fand man Unrat, wie die Strömung ihn eigentlich in großen Mengen angeschwemmt haben sollte, noch bildeten Sträucher und Bäume ein undurchdringliches Durcheinander.
    »Sie stehen in Reih und Glied wie ein stummes Heer«, bemerkte Fronja zögernd.
    Manche der Bäume waren riesig – ihre Wipfel verloren sich in den dahintreibenden Nebelschwaden.
    Herbstlaub bedeckte den Boden, als die drei im Schein zweier Fackeln tiefer ins Innere der Insel vordrangen, zum Teil hatte es bereits zu verrotten begonnen. Ein eigentümlicher Duft nach Harz und feuchter Erde schwängerte die Luft. Und da war noch etwas, was Fronja als angenehm süßlich bezeichnete, was aber weder sie noch Mythor oder Gerrek kannten.
    Hin und wieder raschelte es im Laub. Das Licht reichte kaum weiter als zehn Schritt. Weder der Sohn noch die Tochter des Kometen verspürten Lust, blindlings hinter dem Beuteldrachen her zu stolpern. Trotzdem hatte er stillschweigend die Führung übernommen.
    Plötzlich hielt er inne. Vor ihnen lag eine fast kreisrunde Lichtung. Ein kleines Häuschen stand hier.
    »Es macht zwar nicht den Eindruck, als wäre es bewohnt, aber vorsichtshalber werde ich erst allein nachsehen.«
    »Unsinn«, sagte Mythor. »Wenn da jemand ist, hat er unsere Fackeln schon bemerkt.«
    Das Haus war aus zugehauenen, durch Lehm miteinander verbundenen Steinen aufgeschichtet, von sechseckiger Form und durchmaß knapp drei Mannslängen. Sein strohgedecktes Dach lief nach oben hin spitz zu.
    Wind und Wetter hatten an den Steinen genagt, und Moose und Flechten wucherten an den rauhen Außenflächen. Es gab zwei vergleichsweise winzige Fensteröffnungen. Die Tierhäute, mit denen sie bespannt waren, waren im Lauf der Zeit vergilbt und rissig geworden und ließen es nicht mehr zu, daß man einen Blick ins Innere warf.
    Die Tür hing in rostigen Angeln, war aber leicht zu öffnen. Mythor – und erst recht Gerrek – mußten sich bücken, um mit dem Kopf, nicht an den niedrigen Balken zu stoßen.
    Schwerer, süßer Duft schlug ihnen entgegen. Gedämpftes Zwielicht herrschte.
    Am anderen Ende des Raumes stand jemand – die beiden Schwerter, die er gekreuzt vor der Brust hielt, leuchteten wie reines Silber. Mythor, die Fackel in der Linken, riß Alton aus der Scheide. Doch sein Gegenüber schien wie erstarrt.
    Erst als er genauer hinsah, erkannte der Sohn des Kometen, daß es sich um eine Statue handelte, die von einem wahren Meister seines Faches geschnitzt worden sein mußte. Einem Wesen wie diesem war er nie zuvor begegnet. Knapp sechs Fuß groß, ruhte der Körper auf kurzen, stämmigen Beinen und war im Vergleich zu ihnen viel zu lang. Von den beiden Armpaaren war das untere vor dem Leib verschränkt, das andere hielt die Schwerter, die, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellte, tatsächlich aus Silber bestanden. Der Schädel hätte durchaus der eines Menschen sein können, besaß jedoch nur ein einziges Auge, das nahezu die gesamte Stirn ausfüllte. Eine üppige Lockenpracht fiel bis auf die kräftigen Schultern. Es war echtes Haar.
    Auf dem Absatz drehte Mythor sich einmal um sich selbst. Reicher Zierat hing an den Wänden, dazwischen farbenprächtige Bilder, die Wesen, wie die Statue sie darstellte, inmitten fremdartiger Umgebung zeigten.
    Dicke, kostbare Teppiche, ebenfalls mit Bildmotiven, dämpften die Schritte. In einer Nische stand ein kleiner Altar, und in einer silbernen Schale brannten winzige, zuckende Flämmchen. Sie verbreiteten den eigenartigen Geruch und die fahle Helligkeit.
    »Ein Tempel«, stellte Fronja fest. »Irgendeiner fremden Gottheit geweiht. Das erklärt einiges.«
    »Wie oft mögen Tatasen hier her kommen?«
    »Das hängt davon ab, ob die Insel als Kultstätte dient oder nur als Zufluchtsort. Wir werden kaum einen Nutzen daraus ziehen können.«
    Sie verließen den

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