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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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wir uns alle nur noch gelb kleiden würden, wie die Damen der Nacht …«
    Adelia begann mit den Fingern zu trommeln. Simons gute Stimmung ließ vermuten, dass seine Suche erfolgreich gewesen war, aber auch sie hatte Neues zu berichten.
    Er bemerkte es. »Oh, na schön. Die Fesseln bestehen offenbar aus fein gekämmter Wolle, weil sie eine so feste, kompakteOberfläche haben, aber trotzdem hätte mich das nicht weitergebracht, wenn nicht an diesem Streifen hier …«, Simon strich liebevoll mit der Hand darüber, und Adelia merkte ihm an, dass er vor lauter Begeisterung über seine erfolgreiche Nachforschung völlig vergessen hatte, wozu dieser Streifen gedient hatte, »… wenn nicht an diesem Streifen ein Stück von einer Webkante gewesen wäre, einer welligen Webkante, die typisch ist für den Weber …«
    Er fing ihren Blick auf und erbarmte sich. »Die Wolle stammt aus einer Lieferung, die vor drei Jahren an den Abt von Ely gegangen ist. Der Abt besitzt die Konzession, alle religiösen Häuser in Cambridgeshire mit den Stoffen zu versorgen, in die sie ihre Mönche und Nonnen kleiden.«
    Mansur reagierte als Erster. »Ein Habit? Es stammt von einem Mönchshabit?«
    »Ja.«
    Wieder trat nachdenkliches Schweigen ein, wie immer häufiger bei ihren gemeinsamen Abendessen.
    Adelia sagte: »Der einzige Mönch, den wir ausschließen können, ist der Prior, denn der war die ganze Nacht bei uns.«
    Simon nickte. »Seine Mönche tragen Schwarz unter dem Rochett.«
    Mansur sagte: »Die frommen Frauen auch.«
    »Das stimmt«, räumte Simon mit einem Lächeln ein, »ist aber in diesem Fall unbedeutend, weil ich im Laufe meiner Nachforschungen wieder dem Händler aus Cherry Hinton begegnet bin, der, wie der Zufall es will, mit Wolle handelt. Er hat mir versichert, dass seine Frau und die Dienerinnen die ganze Nacht unter Segeltuch verbracht haben, umringt und bewacht von den Männern der Gesellschaft. Wenn eine der Damen unser Mörder wäre, wie hätte sie da unbemerkt Leichen vom Hügel schaffen können?«
    Damit blieben die drei Mönche in Prior Geoffreys Begleitung. Simon zählte sie auf.
    Der junge Bruder Ninian? Bestimmt nicht. Aber andererseits, wieso eigentlich nicht?
    Bruder Gilbert? Ein unangenehmer Zeitgenosse und möglicher Verdächtiger.
    Der andere?
    Keiner konnte sich an das Gesicht oder die Persönlichkeit des dritten Mönches erinnern.
    »Wir müssen weitere Nachforschungen anstellen, bis dahin sind Spekulationen nutzlos«, sagte Simon. »Ein schmutziges Habit, vielleicht auf den Abfall geworfen. Der Mörder hätte es sonst wo herhaben können. Wir machen weiter, wenn wir uns ausgeruht haben.«
    Er lehnte sich zurück und griff nach seinem Weinbecher. »Und jetzt, Doktor, verzeiht mir. Wir Juden sind so selten unter den Verfolgern, dass wir gerne ebenso weitschweifig wie die Jäger erzählen, wie wir die Beute zur Strecke gebracht haben. Was habt Ihr heute Neues herausgefunden?«
    Adelia begann ihren Bericht chronologisch, erzählte aber straffer. Ihre Bemühungen am heutigen Tage waren ergiebiger gewesen als die von Simon, aber sie glaubte kaum, dass ihm das Ergebnis gefallen würde. Ihr jedenfalls nicht.
    Ihre Beschreibung der Knochen des Kleinen St. Peter gab ihm Auftrieb. »Ich hab’s gewusst. Das ist einmal eine gute Nachricht für uns. Der Junge wurde gar nicht gekreuzigt.«
    »Nein, wurde er nicht«, sagte sie und nahm ihre Zuhörer mit auf die andere Seite des Flusses und zu ihrer Unterhaltung mit Ulf.
    »Da haben wir’s.« Simon spuckte fast seinen Wein aus. »Doktor, Ihr habt Israel gerettet. Das Kind wurde gesehen,
nachdem
es Chaims Haus verlassen hatte? Dann müssen wir ja nur noch
    diesen jungen Will finden und mit ihm zum Sheriff marschieren. ›Ihr seht, Mylord Sheriff, das ist der lebende Beweis dafür, dass die Juden nichts mit dem Tod des Kleinen St. Peter zu tun haben‹ …« Seine Stimme erstarb, als er Adelias Gesichtsausdruck sah.
    »Ich fürchte doch«, sagte sie.

Kapitel Sieben
    I m Laufe des Jahres war von den Bürgern von Cambridge, die für die Bewachung der Juden in der Burg sorgten, nur noch Agnes übrig geblieben, die Frau des Aalhändlers und Mutter jenes Harold, dessen sterbliche Überreste noch der Bestattung harrten. Die kleine Hütte, die sie sich aus Weidenruten geflochten hatte, wirkte vor dem großen Tor wie ein Bienenkorb. Tagsüber saß sie in dem niedrigen Eingang und strickte, neben sich auf einer Seite einen Aalspeer ihres Mannes mit der Spitze im Boden, auf der

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