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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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die Gurgel, »… auf Nimmerwiedersehen Juden.«
    »Genau«, sagte Adelia. »Auf Nimmerwiedersehen Juden. Ich stimme ja zu, dass der Mann die Juden belasten will, so ganz nebenbei, wo er sowieso schon mordet. Aber wieso sucht er sich ausgerechnet Chaim aus? Wieso legt er den Leichnam nicht in den Garten von irgendeinem anderen Juden? Jedes Haus war an dem Abend verlassen und dunkel, weil alle Juden auf Dinas Hochzeit waren. Wenn er mit einem Boot gekommen ist – was zu vermuten ist –, hätte sich das Haus hier, vom alten Benjamin, eher angeboten, weil es nahe am Fluss liegt. Der Mörder hätte den toten Jungen hier ablegen können. Stattdessenging er das unnötige Risiko ein, den Leichnam auf Chaims Wiese zu werfen, die hell erleuchtet war.«
    Simon beugte sich noch weiter vor, bis er mit der Nase fast eine der Kerzen auf dem Tisch berührte. »Fahrt fort.«
    Adelia zuckte die Achseln. »Ich schaue mir nur das Endergebnis an. Die Juden werden beschuldigt, der Zorn des Pöbels wird geschürt, Chaim, der größte Geldverleiher in Cambridge, wird aufgehängt. Der Turm geht in Flammen auf, mit allen Unterlagen darüber, wer den Wucherern Geld schuldet, darunter auch die von Chaim.«
    »Er hat Chaim Geld geschuldet? Unser Mörder hat nicht nur seine krankhaften Triebe befriedigt, sondern sich noch dazu seiner Schulden entledigt?« Simon dachte darüber nach. »Aber konnte er denn damit rechnen, dass der Pöbel den Turm in Brand stecken würde? Oder sich auf Chaim stürzen und ihn aufhängen würde?«
    »Er mischt sich unter die Menschenmenge«, sagte Mansur, und seine knabenhafte Stimme nahm einen kreischenden Ton an: »Tötet die Juden. Tötet Chaim. Schluss mit der schmutzigen Wucherei. Auf zur Burg, Leute. Nehmt Fackeln mit.«
    Von dem schrillen Klang aufgeschreckt, reckte Ulf den Kopf über das Geländer der Galerie, eine weiße und zerzauste Pusteblume in der zunehmenden Dunkelheit. Adelia drohte ihm mit dem Finger. »Ab ins Bett mit dir.«
    »Warum quasselt ihr dieses fremdländische Zeug?«
    »Damit du nicht lauschen kannst. Geh ins Bett.«
    Mehr von Ulf tauchte über dem Geländer auf. »Dann glaubt ihr, es waren doch nich die Juden, die Peter und die anderen abgemurkst haben?«
    »Nein«, erwiderte Adelia, und weil schließlich Ulf es gewesen war, der das Abflussloch entdeckt und ihr gezeigt hatte, fügte sie hinzu: »Peter war tot, als sie ihn auf der Wiese gefundenhaben. Sie haben Angst bekommen und ihn durch das Loch geschoben, um nicht in Verdacht zu geraten.«
    »Mächtig schlau von denen, was?« Der Junge stieß ein angewidertes Knurren aus. »Wer hat ihn denn dann abgemurkst?«
    »Das wissen wir nicht. Jemand, der Chaim in Verdacht bringen wollte, vielleicht jemand, der ihm Geld schuldete. Und jetzt ab ins Bett.«
    Simon hob eine Hand, um den Jungen aufzuhalten. »Wir wissen nicht, wer, mein Sohn, das versuchen wir herauszufinden.« Zu Adelia sagte er im Dialekt von Salerno: »Der Junge ist intelligent. Er war uns schon einmal nützlich. Vielleicht kann er für uns Kundschafter spielen.«
    »Nein.«
Sie war über ihre eigene Heftigkeit überrascht.
    »Ich kann helfen.« Ulf kam eilig die Stufen heruntergetappt. »Ich bin ein guter Spürhund. Ich kenn die Stadt in- und auswendig.«
    Gyltha kam herein, um die Kerzen anzuzünden. »Ulf, ab ins Bett, sonst verfütter ich dich an die Katzen.«
    »Sag’s ihnen, Gran«, sagte Ulf beschwörend. »Sag ihnen, was ich für ein prima Spürhund bin. Und ich krieg Sachen mit, nich, Gran? Ich hör Sachen, die sonst keiner hört, weil keiner merkt, dass ich da bin, ich kann überallhin … Ich habe ein Recht zu helfen, Gran, Harold und Peter waren meine Freunde.«
    Gylthas und Adelias Blicke trafen sich, und das kurze Entsetzen, das Adelia in den Augen der anderen Frau sah, verriet ihr, dass Gyltha wusste, was sie wusste: Der Mörder würde wieder töten.
    Ein Schakal ist und bleibt ein Schakal.
    Simon sagte: »Ulf könnte uns morgen zeigen, wo die drei Kinder gefunden wurden.«
    »Das ist unten am Wandlebury«, wandte Gyltha ein. »Ich will nich, dass der Junge da hingeht.«
    »Mansur ist doch bei uns. Der Mörder ist nicht auf dem Berg, Gyltha, er ist in der Stadt. Die Kinder wurden in der Stadt entführt.«
    Gyltha blickte Adelia an, die nickte. Ulf wäre bei ihnen sicherer, als wenn er in Cambridge allein einer Spur folgte.
    Gyltha überlegte. »Was ist mit den Kranken?«
    »Die Praxis bleibt morgen geschlossen«, sagte Simon entschieden.
    Genauso entschieden

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