Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
sagte Adelia: »Auf dem Weg zum Hügel wird der Arzt bei den schlimmsten Fällen von gestern einen Hausbesuch machen. Ich möchte nach dem Kind mit dem Husten sehen. Und der Mann mit den amputierten Zehen braucht einen frischen Verband.«
    Simon seufzte: »Wir hätten uns als Astrologen tarnen sollen. Oder Anwälte. Irgendwas Nutzloses. Ich fürchte, der Geist des Hippokrates hat uns ein schweres Joch aufgebürdet.«
    »Allerdings.« In Adelias begrenztem Pantheon kam Hippokrates an erster Stelle.
    Ulf wurde überredet, sich ins Untergeschoss zu begeben, wo er und die Mägde schliefen, Gyltha zog sich in die Küche zurück, und die drei anderen setzten ihre Erörterung fort.
    Simon trommelte mit den Fingern auf dem Tisch und dachte nach. Schließlich hörte er auf. »Mansur, mein guter, kluger Freund, ich glaube, du hast Recht, unser Mörder war vor einem Jahr in der aufgebrachten Menschenmenge und hat den Tod von Chaim verlangt. Doktor, seht Ihr das auch so?«
    »Durchaus möglich«, sagte Adelia vorsichtig. »Mistress Dina ist jedenfalls überzeugt, dass der Zorn der Leute vorsätzlich geschürt wurde.«
    Tötet die Juden
, dachte sie, die Lieblingsforderung von Roger aus Acton. Wie passend, sollte sich diese Kreatur in ihren Taten als ebenso furchtbar erweisen wie als Person.
    Das sprach sie aus, doch dann kamen ihr Zweifel. Der Mörder der Kinder besaß zweifellos Überzeugungskraft. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die ängstliche Mary sich von Acton hätte verlocken lassen, ganz gleich wie viele Bonbons er ihr auch anbot.
    Dem Mann fehlte es an der notwendigen Tücke. Er war ein hässlicher, Phrasen dreschender Hanswurst. Und angesichts seiner Verachtung für Juden war es unwahrscheinlich, dass er sich von einem Geld geliehen hatte.
    »Nicht unbedingt«, sagte Simon. »Ich habe etliche Männer das Kontor meines Vaters verlassen sehen, die Taschen prall mit seinem Gold gefüllt, obwohl sie Wucherei verwerflich fanden. Dennoch, der Bursche trägt Kammgarn, und wir müssen sehen, ob er an den fraglichen Tagen in Cambridge war.«
    Seine Laune hatte sich gebessert. Es würde doch nicht so lange dauern, bis er zu seiner Familie zurückkonnte.
»Au loup!«
Als er ihre verwirrten Gesichter sah, sagte er strahlend: »Wir sind ihm auf der Fährte, meine Freunde. Wir sind Nimrode. Herrgott, wenn ich gewusst hätte, wie spannend die Jagd ist, hätte ich weniger studiert und mehr gejagt.
Halali!
Ist das nicht der Aufruf zur Jagd?«
    Adelia sagte freundlich: »Ich glaube, die Engländer rufen
Horrido
.
«
    »Ach ja? Wie rasch Sprache doch verdirbt. Nun denn. Unsere Beute ist jedenfalls in Sicht. Morgen gehe ich noch einmal zur Burg und setze dieses vorzügliche Organ ein«, er tippte sich an die Nase, die wie bei einer neugierigen Spitzmaus zuckte, »um auszuschnüffeln, welcher Mann hier in der Stadt Geldschulden bei Chaim hatte, die er nicht begleichen wollte.«
    »Nicht morgen«, sagte Adelia. »Morgen wollten wir doch zum Wandlebury Ring.« Für die Suche dort wären sie alle drei erforderlich. Und Ulf.
    »Dann eben übermorgen.« Simons Hochstimmung war unerschütterlich. Er hob seinen Becher erst in Adelias Richtung, dann in die Richtung Mansurs. »Wir sind ihm dicht auf den Fersen, meine Freunde. Ein Mann reiferen Alters, vor drei Nächten auf dem Wandlebury Ring, an diesem und jenem Tag in Cambridge, ein Mann, der bei Chaim hoch in der Kreide steht und die Menge aufwiegelt, die das Blut des Geldverleihers sehen will. Mit Zugang zu schwarzem Kammgarn.« Er trank einen gierigen Schluck und wischte sich den Mund ab. »Wir kennen schon fast seine Schuhgröße.«
    »Es könnte aber auch ein ganz anderer sein«, sagte Adelia.
    Auf diese Liste hätte sie noch ein trügerisch freundliches Auftreten gesetzt, denn wenn die Kinder ebenso wie Peter freiwillig mit ihrem Mörder mitgegangen waren, dann hatten sie sich durch Charme, sogar Humor überreden lassen.
    Sie dachte an den beleibten Steuereintreiber.
    Gyltha hielt nichts davon, dass ihre Arbeitgeber so lange aufblieben, und sie kam herein, um den Tisch abzuräumen, während sie noch daran saßen.
    »Ach ja«, sagte sie zu Adelia, »das Bonbon, das du gefunden hast, sollten wir uns noch mal ansehen. Matilda Bs Onkel ist in der Küche, der ist im Süßwarenhandel. Vielleicht kann der ja was damit anfangen.«
    So etwas wäre in Salerno unmöglich, dachte Adelia, während sie nach oben stapfte. Im Haus ihrer Eltern sorgte ihre Tante dafür, dass die Bediensteten nicht

Weitere Kostenlose Bücher