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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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deinen unbekümmerten blauen Augen?
    »Dann hat er also mit Schafen angefangen«, sagte er.
    »Ja.« Ein rascher Verstand? Oder Verschlagenheit, weil er wusste, dass sie sich das schon gedacht hatte?
    Seine Mundpartie verhärtete sich. Jetzt stand ein anderer, wesentlich weniger gut gelaunter Mann vor ihr. Er schien dünner geworden zu sein.
    Der Regen wurde stärker. Keine Spur von Simon oder Mansur.
    Plötzlich packte er sie am Arm und zog sie mit sich. Aufpasser, der mit keinem Laut vor dem Mann gewarnt hatte, sprang fröhlich hinterdrein. Adelia wusste, dass sie eigentlich Angst haben müsste, doch sie empfand lediglich Empörung.
    Sie blieben unter einer schützenden Buche stehen, wo Picot sie schüttelte. »Warum seid Ihr mir jedes Mal voraus? Wer
seid
Ihr, Frau?«
    Sie war Vesuvia Adelia Rachel Ortese Aguilar, und sie wurde grob behandelt. »Ich bin eine Ärztin aus Salerno. Zeigt mir gefälligst Respekt.«
    Er blickte auf seine massigen Hände, die ihre Arme umklammert hielten, und ließ sie los. »Bitte verzeiht, Doktor.« Er bemühte sich um ein Lächeln. »Das reicht wohl nicht, oder?« Er nahm seinen Umhang ab, breitete ihn sorgsam unter dem Baum aus und bat sie, sich zu setzen. Sie kam der Bitte dankbar nach, weil ihre Beine noch immer zitterten.
    Er setzte sich neben sie und begann, sich zu erklären. »Nun, Ihr müsst wissen, dass ich ein besonderes Interesse daran habe, den Mörder aufzuspüren, doch jedes Mal, wenn ich einem Faden folge, der mich in die Tiefe seines Labyrinths führt, finde ich nicht den Minotaurus, sondern Ariadne.«
    Und Ariadne findet dich, dachte sie. Sie sagte: »Darf ich fragen, was für ein Faden Euch heute hierher geführt hat?«
    Aufpasser hob ein Bein an dem Baumstamm und ließ sich dann auf einer Ecke des Umhangs nieder.
    »Ach so«, sagte Sir Rowley, »das ist leicht erklärt. Ihr hattet mich doch neulich in der Einsiedlerhütte dafür eingespannt, alles aufzuschreiben, was Ihr bei der Untersuchung der armen Knochen festgestellt habt, unter anderem, dass sie aus kreidehaltiger Erde auf Schwemmsandboden gebracht worden waren. Ich habe kurz überlegt und konnte mir sogar ausrechnen,
wann
sie dorthin geschafft wurden.« Er blickte sie an. »Ich vermute, Eure Männer suchen gerade den Hügel ab?«
    Sie nickte.
    »Sie werden nichts finden. Ich weiß das, weil ich in den letzten zwei Tagen da oben jeden Stein umgedreht habe, und glaubt mir, Doktor, es ist dort alles andere als angenehm, wenn die Nacht hereinbricht.«
    Er schlug mit der Faust auf das Stück Umhang zwischen ihnen,so dass Adelia erschrak und Aufpasser den Kopf hob. »Aber er ist da oben irgendwo, verdammt. Der Hinweis zum Minotaurus führt dorthin. Diese armen Kleinen haben uns das verraten.« Er blickte seine Hand an, als hätte er sie nie zuvor gesehen, öffnete die Faust. »Also habe ich mich beim Lord Sheriff empfohlen und bin hergeritten, um mich noch einmal umzuschauen. Und was finde ich? Madam Doktor, die wieder irgendwelchen Knochen lauscht. So, jetzt wisst Ihr alles.«
    Er war wieder ganz vergnügt.
    Es hatte heftiger geregnet, während er sprach, doch jetzt kam die Sonne wieder heraus. Er ist wie das Wetter, dachte Adelia. Und ich weiß noch nicht alles.
    Sie sagte: »Mögt Ihr Jujuben?«
    »Bin ganz wild darauf, Madam. Wieso? Wollt Ihr mir eine anbieten?«
    »Nein.«
    »Oh.« Er kniff die Augen zusammen und blickte sie an wie jemanden, dessen Verstand nicht weiter verwirrt werden sollte, dann sagte er langsam und freundlich: »Vielleicht erzählt Ihr mir, wer Euch und Eure Begleiter hergeschickt hat, um diese Untersuchung durchzuführen?«
    »Der König von Sizilien«, erwiderte sie.
    Er nickte bedächtig. »Der König von Sizilien.«
    Sie musste lachen. Sie hätte auch sagen können, die Königin von Saba oder König Gernegroß; er konnte die Wahrheit nicht erkennen, weil er nicht daran gewöhnt war. Er hält mich für verrückt.
    Während sie lachte, schickte die Sonne ihr Licht durch das junge Buchenlaub, und es fiel auf sie wie ein Schauer frisch geprägter Kupferpennys.
    Seine Miene veränderte sich so, dass ihr das Lachen verging, und sie wandte den Blick ab.
    »Fahrt nach Hause«, sagte er. »Fahrt zurück nach Salerno.« Jetzt sah sie Ulf mit Simon und Mansur aus Richtung der Schafgrube auf sie zukommen.
    Der Steuereintreiber war wieder die Vernunft in Person. Guten Tag, guten Tag, meine Herren. Er hatte der guten Ärztin bei der Untersuchung der armen Kinder assistiert … Er vermutete, genau

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