Die Totenleserin1
wie sie, dass der Hügel der Schauplatz der … Er hatte das Gelände abgesucht, aber nichts gefunden … Vielleicht sollten sie sich, alle vier, darüber austauschen, was sie wussten, um den Unhold seiner gerechten Strafe zuzuführen …
Adelia trat zu Ulf, der etwas abseits stand und sich seine Mütze gegen das Bein schlug, um die Regentropfen abzuschütteln. Er deutete mit einer Handbewegung auf den Steuereintreiber. »Den kann ich nich leiden.«
»Ich auch nicht«, sagte Adelia, »aber der Aufpasser offenbar.« Geistesabwesend – und sie dachte, dass er das später bestimmt bereuen würde – streichelte Sir Rowley dem Hund den Kopf, der sich an sein Knie schmiegte.
Ulf knurrte angewidert. Dann sagte er: »Du denkst, die Schafe wurden von demselben Kerl abgemurkst, der auch Harold und die anderen umgebracht hat?«
»Ja«, sagte sie. »Es wurde eine ähnliche Waffe benutzt.«
Ulf dachte darüber nach. »Wo der wohl in der Zwischenzeit getötet hat?«
Es war eine intelligente Frage. Adelia hatte sie sich selbst sogleich gestellt. Der Steuereintreiber hätte die Frage ebenfalls stellen müssen. Und hatte es nicht getan.
Weil er die Antwort kennt, dachte sie.
Auf der Fahrt im Karren zurück in die Stadt, wie gute Arzneiverkäufer, die Kräuter sammeln waren, brachte Simon aus Neapel seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass sie sich mitSir Roland Picot, genannt Rowley, zusammengetan hatten. »Ein flinker Kopf, trotz seiner Leibesfülle, erstaunlich flink. Er fand es überaus interessant, welche Bedeutung wir der Tatsache beimessen, dass der Leichnam des Kleinen St. Peter auf Chaims Wiese gefunden wurde, und da er Zugang zu den Büchern des County hat, will er mir dabei helfen herauszufinden, welche Männer bei Chaim Schulden hatten. Außerdem werden er und Mansur nachfragen, welche arabischen Handelsschiffe Jujuben liefern.«
»Zum Donnerwetter«, sagte Adelia, »habt Ihr ihm denn
alles
erzählt?«
»So gut wie.« Er schmunzelte über ihren Zorn. »Mein lieber Doktor, wenn er der Mörder ist, dann weiß er bereits alles.«
»Wenn er der Mörder ist, dann weiß er, dass wir ihm auf der Spur sind. Er weiß genug, um uns loswerden zu wollen. Er hat mir gesagt, ich soll zurück nach Salerno fahren.«
»Ja, richtig. Er ist besorgt um Euch.
›Das ist viel zu gefährlich für eine Frau‹,
hat er zu mir gesagt.
›Wollt Ihr etwa, dass sie im Bett ermordet wird?‹«
Simon zwinkerte ihr zu. Er war guter Dinge. »Wieso werden wir eigentlich immer im Bett ermordet, frage ich mich. Wir werden nie beim Frühstück ermordet. Oder in der Badewanne.«
»Ach, hört auf. Ich traue dem Mann nicht.«
»Ich schon, und ich habe allerhand Erfahrung mit Männern.« »Er verwirrt mich.«
Simon zwinkerte Mansur zu. »Und allerhand Erfahrung mit Frauen. Ich glaube, er gefällt ihr.«
Wütend sagte Adelia: »Hat er Euch erzählt, dass er Kreuzritter war?«
»Nein.« Er blickte sie an, jetzt ernst. »Nein, das hat er mir nicht erzählt.«
»War er aber.«
Kapitel Neun
E s war Brauch in Cambridge, dass die Teilnehmer der Wallfahrt nach ihrer Rückkehr ein Fest veranstalteten. Auf der Reise war man einander nähergekommen, hatte Geschäfte abgeschlossen, Ehen vermittelt, Frömmigkeit und Inbrunst erlebt, die Welt an sich war größer geworden, und es war für alle Beteiligten schön, nach dieser gemeinsamen Zeit noch einmal zusammenzukommen und die wohlbehaltene Heimkehr zu feiern.
In diesem Jahr kam der Priorin von St. Radegund die Rolle der Gastgeberin zu. Da St. Radegund jedoch noch ein armes, kleines Kloster war – was sich bald ändern würde, wenn es nach der Priorin Joan und dem Kleinen St. Peter ging –, war seinem Ritter und Lehnsmann Sir Joscelin die Ehre zuteil geworden, die Feierlichkeiten auszurichten. Nicht nur, dass er in Grantchester Manor wesentlich mehr Platz hatte, nein, er war auch erheblich reicher als die Priorin, eine Umkehrung der Verhältnisse, die bei Lehnsmännern der kleineren frommen Häuser gar nicht so ungewöhnlich war.
Und Sir Joscelin war für seine Feste berühmt. Es hieß, für die Feier, die er letztes Jahr zu Ehren von Abt Ramsay gegeben hatte, hätten dreißig Rinder, sechzig Schweine, hundertfünfzig Kapaune, dreihundert Lerchen (wegen der Zungen) und zwei Ritter ihr Leben gelassen, Letztere bei einem Kampfturnier, das zur Unterhaltung des Abtes stattgefunden hatte, aber gehörig aus dem Ruder gelaufen war.
Einladungen waren daher heiß begehrt. Wer bei der Pilgerfahrt
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