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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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bereits mehrere Gäste. Männer standen an Baumstämmen, Frauen suchten nach einem stillen Örtchen, wo sie sich hinhocken konnten. Die schamhafteren bildeten eine unruhige Warteschlange vor den verhüllten, mit gesäßgroßen Löchern versehenen Bänken, die Sir Joscelin über dem Bach hatte aufstellen lassen, der in die Cam führte.
    Immer wieder gierig aus dem Krug trinkend, schlenderte Adelia davon, vorbei an Ställen und dem beruhigenden Geruch von Pferden, vorbei an dunklen Käfigen, wo Raubvögel unter Hauben davon träumten, sich hoch oben am Himmel auf ihre Beute zu stürzen. Der Mond war zu sehen. Gras, ein Obstgarten …
    Der Steuereintreiber fand sie schlafend unter einem Apfelbaum. Als er die Hand nach ihr ausstreckte, hob eine kleine, dunkle, übel riechende Gestalt neben ihr den Kopf, und eine andere, wesentlich größere mit einem Dolch am Gürtel trat aus dem Schatten.
    Sir Rowley zeigte beiden seine leeren Hände. »Ich würde ihr doch nichts tun.«
    Adelia öffnete die Augen. Sie setzte sich auf, befühlte sich die Stirn. »Tertullian war kein Heiliger, Picot«, sagte sie.
    »Das habe ich mich schon immer gefragt.« Er hockte sich neben sie. Sie hatte seinen Namen benutzt, als wären sie alte Freunde – er war bestürzt, wie sehr ihn das freute. »Was habt Ihr getrunken?«
    Sie konzentrierte sich. »Es war gelb.«
    »Met. Man braucht eine angelsächsische Konstitution, um Met zu überleben.« Er zog sie hoch. »Kommt, das müsst Ihr abtanzen.«
    »Ich tanze nicht. Sollen wir zu Bruder Gilbert gehen und ihm einen Tritt in den Hintern verpassen?«
    »Klingt verlockend, aber ich glaube, wir tanzen lieber.«
    In der Halle waren die Tische weggeräumt worden. Die sanften Musikanten auf der Galerie hatten sich in drei schwitzende, stämmige Männer auf dem Podium verwandelt, ein Tamburinspieler und zwei Fiedler, von denen einer die Schritte mit solcher Lautstärke ansagte, dass er das Kreischen, Lachen und Stampfen der wirbelnden Paare im Tanzsaal übertönte, zu dem die Halle gemacht worden war.
    Der Steuereintreiber zog Adelia hinein ins Getümmel.
    Was sich hier abspielte, war nicht das gesittete, Fingerspitzen haltende, Zehen streckende, schwierige Tanzen der vornehmen Gesellschaft von Salerno. Von Eleganz konnte keine Rede sein. Diese Leute aus Cambridge hatten keine Zeit für Tanzunterricht, sie tanzten einfach. Unermüdlich, unaufhörlich, mit Schweiß und Ausdauer, mit Eifer, getrieben von wilden uralten Göttern. Ein Stolpern hier und da, eine falsche Bewegung, na und? Zurück in den Kampf, tanzen, tanzen. »Aufstampfen.« Linker Fuß nach links, den rechten ranziehen. »Rücken an Rücken.« Den Rock raffen. Lächeln. »Rechte Schulter an rechte Schulter.« »Kreis nach links, hopp.« »Geradeaus, hopp.« »Platzwechsel.« »Die Flechte, Ladys und Gentlemen, die
Flechte
, ihr Kanaillen.« »Und wieder von vorn.«
    Die Fackeln in den Halterungen flackerten wie Opferfeuer. Zerstampfte Binsen auf dem Boden verströmten grünen Duft in den Raum. Keine Zeit zum Verschnaufen, »wir tanzen eine
Pferdebranle«
, zurück, im Kreis, durch die Mitte, unter dem Bogen durch, und noch einmal.
    Der Met in ihrem Körper verdampfte und wurde durch den Rausch des reibungslosen Zusammenspiels von Bewegungen ersetzt. Glänzende Gesichter tauchten auf und verschwanden wieder, verschwitzte Hände ergriffen Adelias Hände, wirbelten sie herum: Sir Gervase, ein Unbekannter, Master Herbert, Sheriff, Prior, Steuereintreiber, wieder Sir Gervase, der sie so wild im Kreis drehte, dass sie fürchtete, er könne loslassen und sie gegen die Wand schleudern. Durch die Mitte, unter dem Bogen durch, Galopp, Flechte.
    Bilder blitzten auf und waren gleich wieder fort. Simon signalisierte ihr, er würde gehen, doch sein Lächeln – sie wurde in diesem Augenblick gerade von Sir Rowley schwungvoll herumgedreht – sagte ihr, sie solle bleiben und sich amüsieren. Eine große Priorin und ein kleiner Ulf hielten sich an den überkreuzten Händen und wirbelten herum wie ein Karussell. Sir Joscelin sprach ernst mit der kleinen Nonne, als sie bei einem Platzwechsel Rücken an Rücken aneinander vorbeikamen. Mansur, umgeben von einem Kreis Bewunderer, vollführte mit unbewegter Miene zu Maqam-Musik einen Tanz über gekreuzten Schwertern. Roger aus Acton versuchte, gegen den Schwung eine Drehung nach rechts durchzusetzen: »Die nach links gehen, sind des Teufels und Gott dem Herrn verhasst.« Und wurde beinahe niedergetrampelt.
    Du liebe

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