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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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fortfahren, ungeachtet der Ereignisse. Seltsame Frau. Er musste schmunzeln. Leon beschloss, ihrem Beispiel zu folgen und dort fortzufahren, wo sie vorhin unterbrochen worden waren.
    »Okay«, meinte er. »Ich denke, wir sollten die Obduktion vornehmen, wie Sie es vorgeschlagen haben.«
    »Sie hatten mich vorhin gefragt, ob mir etwas aufgefallen sei.« Sie deutete auf den Körper vor ihr.
    Leon nickte und schaute abwartend von ihr zu der Leiche, was ihm sogar gelang, ohne dass ihm schlecht wurde.
    »Die Wunden sind postmortal entstanden. Wie gesagt hatte ich bisher nur einen kurzen Blick auf diesen Leichnam geworfen und ging bei der Schädelfraktur davon aus, dass die Pathologen die Blutspuren weggewischt hätten. Was an und für sich schon ungewöhnlich ist, da Waschungen in der Regel mir überlassen werden.« Sie sah ihn bedeutungsvoll an und fuhr damit fort, die einzelnen Wunden zu betasten oder auseinanderzuziehen. »Immer dieselben Hinweise: keine Blutkrusten, saubere Wundränder. Ich gehe davon aus, dass es bei den anderen beiden ebenso aussieht.«
    Speichel sammelte sich beim Anblick der klaffenden Wunden auf der wächsernen Haut in Leons Mund. Er ignorierte es, denn sein Interesse überwog im Moment seine körperlichen Unbefindlichkeiten.
    »Was darauf schließen lässt, dass zumindest dieses Opfer vor dem Unfall gestorben sein muss?«
    Zoe nickte. »Tote bluten nicht.«

Kapitel 7
    N achdem Zoe die Proben von den drei Leichen genommen hatte, verpackte sie diese in einem beschrifteten Hygienebeutel. Der Polizeikommissar schenkte den Beuteln jedoch keine weitere Aufmerksamkeit, sondern legte sie zu den verpackten Steinen auf die Anrichte. Während Zoe damit anfing, die spezielle Modelliermasse anzurühren, bemerkte sie, wie sein Blick zwischen ihr und dem Leichnam hin und her schweifte. Dabei dem Wechselspiel seiner Miene zuzuschauen, fand Zoe interessant. Verkniffene Lippen und gerümpfte Nase für den toten Boris, klarer Blick und ein angedeutetes Lächeln für sie.
    Für eine Weile war das einzige Geräusch das Schaben von Zoes Schneebesen in der Metallschüssel. Es war notwendig, die Grundierungsarbeiten vorzubereiten, damit sie am nächsten Tag mit der Wiederherstellung des Gesichts beginnen konnte. Da konnte Zoe keine Rücksicht auf ihren Gemütszustand nehmen, obwohl der Steinewerfer sie mehr erschreckt hatte, als sie zugeben wollte. Normalerweise symbolisierte ihr Behandlungsraum für sie eine Art neutrale Zone, in der sie eine andere Einstellung gegenüber dem Leben annahm. Hier saß jeder Handgriff, jeder Arbeitsschritt war ihr vertraut und führte zum gewünschten Ergebnis, was ihr ein Gefühl von Sicherheit verlieh. Die Unvorhersehbarkeiten des Alltags blieben draußen, sobald sie die Tür geschlossen hatte und sich ihrer Arbeit widmete. Jetzt waren Dinge von außen in ihr Refugium eingedrungen. Sie warf einen besorgten Blick auf die heruntergelassenen Jalousien, hinter denen sich die zerschlagene Fensterscheibe verbarg. Das war mehr als ein Jungenstreich. Die Drohung auf dem Zettel jagte ihr Angst ein. Die ganze Zeit überlegte sie schon, wer ihn geschrieben haben konnte. Doch sie kam zu keinem sinnvollen Ergebnis, zumal Boris außer seinen siamesischen Zwillingen noch zahlreiche andere Freunde hatte. Das monotone Rührgeräusch beruhigte Zoe und half ihr, ihre Gedanken zu sortieren. Sie wollte sich ablenken, und Arbeit stellte dazu das beste Mittel dar. So war es immer.
    Der junge Kommissar brachte sie durcheinander, aber auf eine seltsam angenehme Weise. Vor allem, wenn sie daran dachte, wie sein ganzer Körper vorhin schützend über dem ihren auf dem Boden gelegen hatte wie eine warme Decke. Jedes Geräusch schien eingedämmt gewesen zu sein, bis auf ihren dumpfen Herzschlag. Sie hatte dem Drang widerstehen müssen, sich vor lauter Panik fester an ihn zu drücken. Noch jetzt spürte sie, wie das Blut in ihre Wangen stieg.
    Wie konnten Angst und Geborgenheit miteinander einhergehen? Straters Anwesenheit störte sie nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Von ihm ging eine Ruhe aus, die sich wie Balsam um ihre Nerven legte. Zoe fühlte sich sicher, obwohl ihr vorher nicht bewusst gewesen war, dass sie überhaupt eines Schutzes bedurfte. Er unterhielt sich mit ihr scheinbar beiläufig, schob aber immer wieder ermittelnde Fragen über die Bewohner von Birkheim ein. Zoe antwortete so gewissenhaft wie möglich, wobei sie manchmal überlegte, ob sie in seinen Augen nun Zeugin, Opfer oder Verdächtige war.

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