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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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half Zoe ihm beim Ablegen und zog in einer fließenden Bewegung auch ihre Gummihandschuhe aus. Inzwischen fühlten ihre Ohren sich wie Glühstäbe an. Wie peinlich! Ein verstohlener Blick auf die kaum wahrnehmbaren hektischen Flecken an Straters Hals zeigte ihr, dass es ihm offenbar nicht anders erging.
    Er verabschiedete sich und bewegte sich auf die Tür zu. Mit einem Nicken wandte Zoe sich wieder ihrer Arbeit zu. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, machte sie sich daran, den Reißverschluss des Leichensackes über Boris zuzuziehen. Dabei fiel ihr Blick auf eine ungewöhnliche Formation von Sommersprossen im Brustbereich des Leichnams. Sie stutzte und griff nach ihrer Lupenbrille, um sich die Stelle genauer anzusehen. Boris war ein hellhäutiger Typ, dessen Körper nahezu vollständig von Pigmentflecken in unterschiedlichen Größen überzogen war. Doch etwas war anders an diesen Flecken. Bislang hatte der großangelegte T-Schnitt Zoes Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, so dass sie die anderen Hautpartien noch nicht näher in Augenschein genommen hatte. Doch nun war der pathologische Schnitt unter dem halb zugezogenen Reißverschluss des Plastiksacks verborgen, so dass nur noch ein kleiner Bereich von wächserner Haut sichtbar war, als würde man durch das Fenster eines Zeltes schauen. Unter der vielfachen Vergrößerung ihrer Lupe gab die heruntergeklappte Plastiklasche den Blick auf eine winzige Einstichstelle frei, umgeben von punktförmigen Blutungen.
    »Oh!«, entfuhr es Zoe.
    »Was ist?«, fragte Leon.
    Sie drehte sich zu ihm um. Sie hatte nicht bemerkt, dass er noch da war. Mit einem Fuß auf der Stufe hatte er innegehalten und sich halb umgewandt. Sein durch die Jeans perfekt in Szene gesetztes Hinterteil hätte Zoe gern noch weiter angestarrt – besonders die vergrößerte Ansicht durch ihre Lupenbrille. Hastig hob sie ihre Augen zu seinem Gesicht und war nicht minder irritiert, dort ein breites Grinsen zu finden. Toll! Jetzt blamierte sie sich auch noch! Zoe presste die Lippen zusammen und straffte ihre Schultern.
    Leon trat neben sie. Beim Anblick ihrer vergrößerten Augen hinter der Lupenbrille kräuselten seine Mundwinkel sich leicht. Zoe parierte mit einem gleichmütigen Schulterzucken.
    »Dort ist eine Einstichstelle unterhalb des Rippenbogens, direkt neben dem Brustbein«, erklärte sie und zog den Reißverschluss weiter herunter.
    Mit zusammengekniffenen Augen beugte er sich über den Leichnam. »Der Bursche ist ja mit Sommersprossen gesprenkelt.«
    Zoe schloss daraus, dass er die Einstichstelle nicht erkennen konnte. Sie nahm die Lupenbrille ab und reichte sie ihm. Ohne zu zögern, setzte er die Brille auf.
    In stummem Einvernehmen wendeten sie sich wieder dem Ernst der Angelegenheit zu und untersuchten eingehend die seltsame Einstichstelle.
    »Ich frage mich, ob die beiden anderen Leichen ähnliche Merkmale aufweisen«, sinnierte Leon.
    »Das lässt sich feststellen«, erwiderte Zoe.
    Gemeinsam gingen sie ins Kühlhaus. Da sie gezielt nachsehen konnten, hielt Zoe es nicht für nötig, die Leichen umzulagern. Sie machte sich daran, die Reißverschlüsse der Leichensäcke aufzuziehen. Ihr Atem erzeugte kleine Kältewölkchen. Leons Nasenspitze zeigte sich empfindlich und wurde binnen weniger Sekunden rot. Wie erwartet, fanden sie an beiden Körpern ähnliche Einstichstellen. Mit bloßem Auge waren sie kaum zu erkennen.
    »Was könnte das bedeuten?«, fragte Leon, als sie ins Labor zurückgekehrt waren. Er rieb sich die Hände, um sie zu wärmen. Kein Wunder, bei minus zwanzig Grad konnten sich nur Tote wohl fühlen! Zoe hielt sich für gewöhnlich nur für den Zeitraum im Kühlbereich auf, den es bedurfte, um eine Leiche auf den Hubwagen zu packen und hinauszufahren. Allerdings war sie daran gewöhnt und fror nicht so schnell.
    »Die Male könnten von einer Injektionsnadel stammen.«
    »In die Brust?« Sein Blick wurde schmal.
    Zoe schüttelte nachdenklich den Kopf. »In den Lungenflügel. Eine letale Injektion direkt in das Organ ist nur schwer nachweisbar.«
    »Es sei denn, man lässt gezielt danach suchen, richtig?«
    Sie nickte. »Nun, dann dürften die Proben sicher ein paar aufschlussreiche Ergebnisse liefern.«

    Nachdem Strater Zoe zum Abschied zugenickt hatte und nach oben verschwunden war, widmete sie sich ihren Aufräumarbeiten. Trotz der vergangenen Ereignisse und ihrer sonderbaren Entdeckung an den Leichen war sie so gutgelaunt wie schon lange nicht mehr. Auch der mysteriöse

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