Die Totenmaske
seinem Hinterkopf.
Der Grund, weshalb E 605 seine traurige Berühmtheit erlangt hatte, bestand darin, dass es vorwiegend von Frauen benutzt wurde, die sich ihrer unliebsamen Ehemänner diskret entledigen wollten. Leon fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Zoe hatte zitternd in seinen Armen gelegen, nachdem der Anschlag auf sie verübt worden war. Das Kartenhaus aus Selbstbeherrschung war schnell zusammengefallen. In seinen Augen war sie ein empfindsamer Mensch, der zwangsweise lernen musste, mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen. Kaum verwunderlich, dass sie sich eine harte Schale zugelegt hatte!
Ein Knacken im Unterholz lenkte seine Aufmerksamkeit auf die eng beieinanderstehenden Bäume zu seiner Rechten. Erstaunt stellte er fest, wie weit er sich von seinem Auto entfernt hatte. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er in Gedanken versunken weitergelaufen war. Jetzt bemerkte er wieder das Kribbeln in seinem Nacken. Schon seit einer Weile hatte er den Eindruck, jemand würde ihn aus dem Dickicht heraus beobachten. Doch das Gespräch mit Willi hatte ihn abgelenkt. Es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass die Umgebung sogar am helllichten Tag in gewisser Weise unheimlich war. Es gab genug Horrorstreifen mit auffallend ähnlichem Schauplatz. Mitunter spielten einsame Polizisten auf der Landstraße die Rolle eines unwichtigen Nebencharakters, deren Dasein schnell ein überaus blutiges Ende nahm.
Leon schüttelte den Kopf über sich selbst. Er sollte sich zusammennehmen, sonst würde seine Phantasie noch mit ihm durchgehen. Das Gefühl, jemand liefe durch den Wald, verließ ihn trotzdem nicht. Mit einem Satz sprang er über den Grünstreifen und landete auf moosigem Waldboden. Er lief in die Richtung, aus der er glaubte, das Geräusch gehört zu haben. Ein Schatten huschte ein Stück weiter zwischen silbrig schimmernde Baumstämme. Man hätte glauben können, er wäre vom Tag in die Nacht gesprungen. Nur das Zwitschern der Vögel erinnerte daran, dass irgendwo da oben die Sonne den strahlend blauen Himmel erhellte. Feuchtwarme Luft stieg vom Waldboden auf. Es roch nach modrigem Laub.
»Bleiben Sie stehen!« Leon öffnete sein Schulterhalfter, um notfalls schnell an seine Waffe zu kommen.
Der Schatten entpuppte sich schon nach wenigen Metern als Mann in grüner Uniform. Unter der Krempe seines schwarzen Hutes lugten graumelierte Haare hervor. Ein Jagdgewehr über seiner Schulter, paffte er gelassen an einer verzierten Pfeife.
»Was machen Sie hier?« Leon senkte die Hand mit der Pistole. Die dürfte wohl nicht nötig sein.
Der Mann folgte mit erhobenen Augenbrauen seiner Bewegung. »Das könnte ich Sie genauso fragen, junger Mann.«
Da hatte er recht. Leon war in Zivil und somit nicht als Polizist zu erkennen. »Ich bin Kommissar Strater und untersuche einen Mordfall in dieser Gegend.«
»Ah, also doch Mord.« Der Mann stieß ein kleines Rauchwölkchen aus.
»Das scheint Sie nicht sonderlich zu überraschen.«
Er nahm die Pfeife aus dem Mund. »Mein Name ist Kemper, ich bin der staatliche Förster in diesem Gebiet. Und nein, es wundert mich nicht sonderlich. Konnte mir nicht vorstellen, dass die Burschen mal eben den Steilhang runtergefahren wären. Wenn diese Nichtsnutze sich mit etwas auskannten, dann mit ihren stinkenden Benzinkarren.«
»Dann haben Sie die Jungen also öfter gesehen?«
»Öfter, als mir lieb ist. Ich gehe dieses Waldgebiet regelmäßig ab und komme an manchen Stellen kaum nach, bei dem Abfall, den manche Leute im Wald hinterlassen.«
Trotz der steilen Falte über seiner Nasenwurzel schien der Förster seltsam gelassen zu sein in Anbetracht der jungen Leute, die sich in seinem Revier vermutlich nicht immer wünschenswert verhalten hatten.
»Sie sind der Polizist, den man in letzter Zeit an der Seite der kleinen Lenz gesehen hat.« Er deutete mit seiner Pfeife auf Leon, als gäbe sie für etwas ihre Zustimmung. »Das ist gut. Die Kleine braucht jemanden, der sie beschützt.«
Der Birkheimer Buschfunk schien hervorragend zu funktionieren. Erstaunlich, wie schnell sich sein Treffen mit Zoe Lenz herumsprach! Es lag gerade einmal einen halben Tag zurück. Besonders schutzbedürftig erschien ihm die junge Frau jedoch nicht, wenn man von den außergewöhnlichen Umständen derzeit einmal absah. Soweit Leon es bisher mitbekommen hatte, stand sie mit beiden Beinen im Leben. Die Aussage erschien ihm seltsam.
»Sie lebt doch bei ihrer Mutter.«
Kemper verdrehte die Augen und zog an seiner
Weitere Kostenlose Bücher