Die Totenmaske
Jugendlichen. Die Beschreibung des Försters traf zwar zu, dennoch musste Leon ein wenig suchen, bis er fündig wurde. Ein schmaler Schotterweg, gerade einmal ausreichend für ein Auto, führte von der Landstraße aus zu einer Art begrünter Terrasse hinauf. Er ließ seinen Wagen unten stehen und stieg die Anhöhe hinauf. Dabei achtete er darauf, sich auf dem schmalen Grünstreifen zu bewegen, um die Reifenspuren im Lehmboden nicht zu betreten. Sowohl die hinführenden als auch die wegführenden Reifenspuren waren ausgewaschen. Leon zog seinen Notizblock hervor, um zu vermerken, dass er später den Wetterdienst kontaktieren wollte. Zusammen mit der Zeitangabe auf dem Radarbild würde es hilfreich sein, herauszufinden, wann und wie lange der letzte Pkw hier geparkt hatte. Je nachdem, wie exakt das Wetter nachvollzogen werden konnte und je kürzer die Perioden waren, in denen es sich geändert hatte, desto genauer ließ sich die Zeit eingrenzen. Bestenfalls stundengenau, was wiederum Aufschluss über den möglichen Todeszeitpunkt der Opfer im Wagen bringen konnte.
Die Plattform lag geschützt, von wildwachsendem Gestrüpp und Bäumen umrahmt wie von einem grünen Schutzwall. Nach vorn bot sich ein weiter Blick über die Straße, so dass heranfahrende Fahrzeuge frühzeitig bemerkt werden konnten. Ein idealer Platz für Jugendliche, die ungestört sein wollten. Perfekt geeignet zum Vorglühen mit Billigalkohol, um dann zu den Diskotheken im Umkreis weiterzuziehen. Der festgetretene Lehmboden zeigte, dass sich hier häufig Leute aufhielten. Überall lagen leere Getränkedosen, Spirituosenflaschen und Tetrapaks, deren verwitterte Aufschrift einen Billigwein aus dem Discounter auswies. Zigarettenkippen, ausgespuckte Kaugummis und weiterer Unrat zogen sich bis zu den angrenzenden Gebüschen. Nichts Ungewöhnliches für einen Jugendtreffpunkt. Doch möglicherweise könnten die Opfer an diesem Ort vergiftet worden sein. Der Förster hatte die drei am Tag ihres Todes hier gesehen. Ebenso befand sich das Radargerät nicht weit von hier, so dass sie zumindest zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Nähe gewesen waren.
Die Tat lag eine Weile zurück, was sicher einige Trugspuren verursacht hatte. Leon konnte nicht wissen, wer sich seither hier aufgehalten hatte. Dennoch dürfte noch genug potenzielles Material für die Spurensicherung zu finden sein. Es hatte ein paarmal geregnet in den letzten Tagen, aber eine Suche könnte trotzdem brauchbare Hinweise ergeben. Langsam schritt Leon die Plattform ab. Dabei versuchte er, sich in die Lage des Mörders zu versetzen, dessen Gedankengänge zu rekonstruieren. Es gab keine Anzeichen für einen Überfall, alles deutete auf eine gründlich vorbereitete Tat hin. Falls der Mörder denselben Weg genommen hatte wie er, mussten die Jugendlichen ihn spätestens bemerkt haben, als er den Weg hinaufgekommen war. Seinen Wagen hatte er vermutlich etwas abseits geparkt, sofern er einen benutzt hatte. Davon ging Leon aus, weil das Waldgebiet ziemlich abseits lag und die nächste öffentliche Verkehrsverbindung kilometerweit entfernt war. Wenn es dem Mörder tatsächlich gelungen war, die Jungen an diesem Ort mit einem präparierten Joint zu betäuben, war es sehr wahrscheinlich, dass Täter und Opfer sich kannten.
Anderseits, wenn die Jungen betrunken genug gewesen waren, wäre ihnen ein Fremder vielleicht erst spät aufgefallen. Sie waren zu dritt, fühlten sich also stark, außerdem bestand für sie kein Grund, misstrauisch zu werden und eine kostenlose Einladung zum Haschischrauchen könnte willkommen gewesen sein.
Leon blieb mit dem Rücken zum Rand der Plattform stehen und skizzierte mit schnellen Bleistiftstrichen den Tatort auf seinem Notizblock. Zusammen mit den bereits vorhandenen Indizien wollte er versuchen, das Verhalten des Täters zu erschließen. Sein Blick fiel auf eine angrenzende Gebüschgruppe. Er klappte den Block zu, steckte ihn in die hintere Tasche seiner Jeans und überquerte den Platz. Um hinter das Gebüsch zu treten, musste er dichtes Blattwerk zur Seite schieben. Seinen Blick prüfend auf den Boden geheftet, entdeckte er zerdrücktes Laub und umgeknickte Zweige. Jemand hatte sich hier für eine Weile niedergelassen – lange genug, damit das Unterholz sich nicht wieder erholen konnte. Einem Impuls folgend, hockte Leon sich hin, um den Boden nach Hinweisen abzusuchen. Er wurde fündig. Ein kleines rundes Plastikteil lugte unter verrotteten Blättern hervor. Er wischte mit
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