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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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einmal in Schwierigkeiten geraten waren.
    Für Zoe war der Stress derselbe. So oder so war sie für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich. Nichts durfte bei einer Bestattung schiefgehen, weil es sich um eine einmalige Angelegenheit handelte. Fehler ließen sich nicht mehr ausbügeln. Manchmal überlegte sie, ob sie nicht besser einen Catering-Service hätte aufmachen sollen. Nervös blickte sie auf ihre Armbanduhr. Sie hinkte ihrem Zeitplan um ein paar Minuten hinterher. Was für sie Geschäft war, sollte in der Erinnerung der Anwesenden ein den Umständen entsprechend angenehmes Erlebnis werden. Dafür stand sie mit ihrem Namen. In Gedanken jedoch trieb Zoe die Gäste zur Eile an, nachdem diese nun langsam in Richtung Ausgang steuerten.
    Die Hände vorn übereinandergelegt, lächelte Zoe den Vorbeigehenden verhalten zu. Nur bei direktem Augenkontakt gab sie ihr Beileid kund oder bedankte sich, wenn jemand sie für ihre Arbeit lobte. Doch neben Trauer und Mitgefühl lag noch eine andere Stimmung in der Luft. Zoe hatte den Eindruck, die Anwesenden beäugten sich gegenseitig misstrauisch, wenn in einem Vortrag erwähnt wurde, dass Boris seiner Familie auf tragische Weise gewaltsam entrissen worden war. Diese Beisetzung und vermutlich auch die beiden noch folgenden unterschieden sich aufgrund der Todesumstände deutlich von einer gewöhnlichen Trauerfeier. Die Vorstellung, dass sich inmitten dieser Gesellschaft möglicherweise ein Mörder befand, schwelte unter einem Nebel aus Schmerz und Wut. Nicht jeder Anwesende entsprach der äußerlichen Etikette, so dass Zoe unweigerlich die Gesichter derer musterte, die selbst zu einer Beerdigung in gewöhnlicher Straßenkleidung erschienen waren. Doch würde ein Mörder tatsächlich zur Beerdigung seines Opfers kommen? Und sich dann auch noch offensichtlich unangepasst zeigen?
    Frau Nauen stützte sich schwer am Arm ihres Mannes und bewegte sich mit der Unterwasseranmut eines Betrunkenen. Der sorgfältig aufgetragene Lippenstift konnte nicht über ihr graues Gesicht hinwegtäuschen. Sie drückte ein Spitzentaschentuch an ihre vom Weinen gerötete Nase und hielt den Kopf gesenkt. Herr Nauen hingegen warf Zoe einen Blick zu, der ihr bedeutete, dass er mit dem Ablauf der Zeremonie zufrieden war.
    »Herzliches Beileid«, sagte Zoe und nickte ihm zu. Daraufhin blieb seine Frau abrupt stehen.
    »Spar dir deine Floskeln!«, fuhr sie Zoe an. »Du hast doch nicht die geringste Ahnung, was es bedeutet, ein Kind zu Grabe zu tragen … wenn das Leben jegliche Bedeutung verliert.«
    »Natürlich nicht. Es tut mir leid«, erwiderte Zoe und spannte die Schultern an.
    Ausbrüche von Trauernden war sie gewöhnt. Zu ihrer eigenen Verwunderung zog sich jedoch ihr Magen zusammen.
    »Was tut dir leid? Dass mein Sohn tot ist oder dass ihr euch jemals begegnet seid?«
    »Bitte, Elsbeth! Das ist nicht der richtige Rahmen, um melodramatisch zu werden!« Herr Nauen legte den Arm um seine aufgelöste Frau und versuchte, sie mit sich fortzuziehen.
    Hinter den beiden huschten Zoes fleißige Helfer in den Saal und machten sich an die Arbeit. Ihre Mutter würde zunächst die Koordination übernehmen. Sie war schon dabei, ihre ersten Anweisungen mit brüsken Handbewegungen zu untermauern. Haltung bewahren in jeder Lebenssituation ging Herrn Nauen anscheinend leicht von der Hand. Zoe konnte nicht abstreiten, dass sie erleichtert war, wenn jemand die Fassung bewahrte. Doch im Moment wusste sie nicht, was sie mehr verwunderte: die Worte, mit denen er die Trauer seiner Frau banalisierte, oder ihren Gefühlsausbruch, der direkt auf Zoe gerichtet zu sein schien. Aus Frau Nauens Augen flossen nun erneut Ströme von Tränen. Ihr aschfahles Gesicht ließ die sonst so distanzierte Frau auf ergreifende Weise menschlich wirken.
    »Ich kann es nicht ertragen, ich kann sie nicht …« Sie stockte. Ihre Beine schienen nachzugeben, so dass ihr Mann seinen Griff verstärkte.
    Zoe presste betroffen die Lippen zusammen. Auch wenn diese Frau es nicht glauben mochte: Zoe verstand ihren Schmerz. Nachdem das Ehepaar hinausgegangen war, lehnte sie sich für einen Augenblick gegen den Türrahmen. Von einem Moment auf den anderen fiel alle Spannung von ihr ab. Sie wusste, dass Frau Nauen sie für Boris’ Schulverweis damals verantwortlich machte. Doch Jahre später in einem völlig anderen Zusammenhang von ihr angefeindet zu werden, setzte Zoe ein wenig zu. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie damit den Zwischenfall von

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