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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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kehrt noch einmal um und holt die Schaufel. Die Taschenlampe legt er auf den Boden, sodass sie die Kette anstrahlt, dann packt er den Stiel und holt aus. Der erste Schlag verfehlt das Schloss, die Schaufel rutscht von der Tür ab und knallt auf die Eingangsstufe; sie vibriert in seinen Händen, Betonsplitter spritzen hoch und bohren sich in seine Lippe. Wütend holt er erneut aus. Nachdem er dreimal bloß die Tür erwischt hat, trifft er endlich die Kette; doch noch immer tut sich nichts, erst als er so kräftig zuschlägt, dass der ganze Türgriff mit abbricht. Er ist neugierig, wie es im Innern aussieht, neugierig, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn man ihn hierherverfrachtet hätte. In den Gängen und Zimmern ist es finster wie in einer Höhle, und die Taschenlampe schafft es kaum, das Dunkel zu durchdringen. Während er langsam durchs Gebäude geht, vergleicht er die Räume mit denen in The Grove. Trotz der Taschenlampe liegt das meiste hier im Dunkeln. In einem der Badezimmer wäscht er sich die Hände. Das Wasser ist eiskalt. Dann geht er weiter. Bis er auf einen seltsamen Raum stößt; in seinem alten Zuhause gibt es nichts Derartiges. Darin ist ein gepolsterter Tisch mit Arm- und Fußfesseln festgeschraubt. An den Wänden befinden sich jede Menge Steckdosen, auf dem Boden und auf den Arbeitsplatten müssen früher mal große technische Apparate gestanden haben, und er entdeckt ein Stück Holz mit einem Riemen an den Enden. Es ist voller Bissspuren. Wahrscheinlich hat man die Patienten hier mit Stromstößen behandelt, als man noch glaubte, das würde helfen. Man hat sie verkabelt und dann den Strom eingeschaltet, auf diese Weise sollte das Gehirn wieder in Ordnung gebracht werden. Damals hat man sogar Teile des Gehirns entfernt, weil die Ärzte glaubten, das würde helfen. Er hofft, dass so etwas nicht mehr eingesetzt wird, und ist dankbar, dass er in The Grove dergleichen nicht hat über sich ergehen lassen müssen. Der Keller dort war zwar schlimm, und einiges von dem, was die Pfleger ihm angetan haben, noch schlimmer, trotzdem würde er sich immer für den Keller entscheiden, bevor man ihm Teile seines Gehirns entfernt.
    Zu seiner großen Überraschung stößt er im Nebenzimmer auf ein nacktes Mädchen. Bei ihrem Anblick macht sein Herz einen Satz, und fast lässt er die Taschenlampe fallen. Es ist das Mädchen, das Cooper neulich Nacht hierhergebracht hat, das Mädchen, von dem Adrian dachte, dass Cooper es längst vergewaltigt, getötet und beseitigt hätte. Doch da ist sie. Das heißt, dass es sich bei dem Mädchen, das er ausgegraben hat, auf jeden Fall um jemand anders handelt. Sie wirkt nicht tot, und wie zur Bestätigung bewegt sich einer ihrer Arme langsam in seine Richtung; er zuckt, wie bei einer Katze, die im Traum Mäuse jagt. Sie hat Klebeband über den Augen, und neben ihr auf dem Boden liegen zwei leere Wasserflaschen. Ihre Arme sind auf dem Rücken gefesselt.
    Als er Cooper Montagabend hierher gefolgt ist, hat er seinen Wagen am Straßenrand versteckt und ist zu Fuß weitergegangen. In der Auffahrt, wo er damals mit Ritchie geparkt hat, fragte er sich, was er als Nächstes tun sollte. Er wollte sich näher heranschleichen, hatte jedoch Angst, entdeckt zu werden. Sein Mut reichte nur bis zum Eingang der Anstalt, nicht weiter. Er konnte zwar nicht hören, was im Innern vor sich ging, aber das musste er auch nicht. Er wusste auch so Bescheid. Also lief er zurück zu seinem Wagen. Von Sunnyview aus fuhr er in die Stadt. Dort ließ er den Wagen am Straßenrand stehen und holte das Auto von dem Mädchen, das Cooper entführt hatte. Natürlich hat er die ganze Zeit angenommen, sie wäre tot. Dass sie noch lebt, ist ein Geschenk des Himmels.
    Und schon überlegt er, was er mit ihr anstellen kann.
    Er wird sie wohl Cooper überreichen, doch er möchte nicht, dass sie Teil einer Prüfung wird, so wie das letzte Mädchen. Er hat was Größeres mit ihr vor, und das Universum ebenfalls – darum hat er sie hier gefunden.
    Doch zunächst braucht sie seine Hilfe.
    »Ich hol dich hier raus«, sagt er.
    Sie antwortet nicht. Sie braucht Wasser, doch er hat Angst, dass sie sich zu gut erholt und versucht abzuhauen, wenn er ihr jetzt welches gibt. Er trägt sie nach draußen. Sie stöhnt leise, sagt jedoch nichts. Ihre Haut fühlt sich heiß an. Er bekommt sie kaum in den Kofferraum, denn dort liegt bereits das tote Mädchen, doch mit etwas Geduld schafft er es, sie eng nebeneinander unterzubringen. Das

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