Die Totensammler
begegnet bin, eine eiskalte Schönheit, selbst als sie das Messer herauszieht und dem toten Detective damit die Kehle aufschlitzt. Kurz nachdem sie aus dem Bild getreten ist, endet die Aufnahme. Melissa hat gesagt, keine Spielchen, aber dass man sie gefilmt hat, war ein Spielchen. Ich frage mich, was es mit dem Geld auf sich hat, von dem sie gesprochen hat. Laut Akte war der Satz an Joe gerichtet, doch er hat darauf nicht geantwortet.
Ich schalte den Fernseher aus und gehe langsam durch den Flur ins Arbeitszimmer, bestärkt in meinem Entschluss, Schroder zu helfen. Darum hat er die DVD dazugelegt. Die Beziehung zwischen Melissa und dem Schlächter ist nur schwer zu verstehen. Sie hat ihn misshandelt, sie wurden ein Paar, und er rückt keinerlei Informationen über sie heraus. Das ergibt keinen Sinn. Wäre der Schlächter nicht gefasst worden, wären sie dann so lange zusammengeblieben, bis einer den anderen umgebracht hätte?
Nach einer Stunde gibt es keine freie Stelle mehr auf dem Schreibtisch, und ich muss den Ventilator ausschalten, damit er die Papiere nicht wegbläst. Nach zwei Stunden sind Teile des Bodens bedeckt, am Whiteboard in meinem Arbeitszimmer kleben mehrere Bilder, und der Ventilator steht wieder im Kleiderschrank. Sämtliche Fenster im Haus sind geöffnet. Ich kann hören, wie einer der Nachbarn zur Musik seiner wummernden Stereoanlage singt. Eigentlich möchte ich in Ruhe nachdenken. Doch ich schalte meine Anlage an, denn ich höre lieber meine eigene als fremde Musik. Ich lege ein Beatles-Album auf und denke, damals waren die Dinge einfacher, bevor mir klar wird, dass die Dinge nie einfach sind. Zwei Stunden lang habe ich ein Chaos aus Papierstapeln angehäuft, ohne eine echte, klare Erkenntnis darüber, wer diese Frau ist.
Die Leiche des Wachmanns auf dem Golfplatz wurde als Letzte gefunden, und zwar vor drei Wochen. Ich frage mich, wofür Melissa diese Uniformen braucht. Das viele Denken macht mich müde, und nach drei Stunden fange ich an, durchs Haus zu laufen, um etwas Abstand zwischen mich und die Beweise zu bringen. In der Küche mache ich mir ein Sandwich. Eigentlich wollte ich erst mal richtig zu Hause ankommen und später zu meiner Frau rausfahren, doch jetzt sind bereits drei Stunden vergangen, ohne dass ich überhaupt an sie gedacht habe. Ich würde gerne was trinken. Erst mal ein Bier, und dann sehen wir weiter. Doch es ist kein Alkohol im Haus. Schließlich hocke ich mich mit meinem Mittagessen und einem Glas Milch an den Esstisch, wie früher, als ich ein Kind war.
Hinten im Arbeitszimmer wartet eine ganze Welt auf mich, eine Welt, der ich glaubte entkommen zu sein. Ich esse zu Ende und bin auf halbem Weg zurück in diese Welt, als jemand an meine Haustür klopft. Meine Eltern haben gesagt, dass sie vorher anrufen, also muss es jemand anderes sein. Jedenfalls kann ich durch die geriffelte Glasscheibe nur eine Person erkennen. Ich habe keine Lust aufzumachen. Ich möchte denjenigen, der da steht, einfach nur auffordern zu verschwinden, doch das Klopfen hört nicht auf, also gehe ich zur Tür. Und öffne. Es ist mein Anwalt. Vor einem Jahr wollte er mich noch töten. Er hat mich gefesselt und in den Wald geschleppt. Hat mich zu Boden geworfen und mir den Lauf einer Pistole an den Kopf gehalten, während er sich fragte, ob er abdrücken soll oder nicht. Ob er jetzt wohl beenden will, was er damals nicht fertiggebracht hat?
Kapitel 6
Cooper hat die Ausdünstungen von Teppich, Staub und etwas Metallischem in der Nase, dazu einen Geruch, den er nicht einordnen kann und der ihn an alte Schwarz-weiß-Filme erinnert, in denen Tote mit abgebrochenen Fingernägeln aus vermoderten, mit Kratzspuren übersäten Särgen steigen. Seine Augen sind geschwollen, tun weh, er kann sie nicht öffnen, und sein Schädel hämmert. Er fragt sich, was für einen Kater er hat, und kommt augenblicklich zu dem Schluss, dass es einer von der übelsten Sorte ist, jene Sorte Kater, bei dem man sich nach dem Aufwachen wünscht, man wäre tot und nicht betrunken. Er hat ein Klingeln in den Ohren, und sein Brustkorb brennt.
Das Erste, woran er sich wieder erinnern kann, ist die Hitzewelle. Eine Stadt, der Sonne schutzlos ausgeliefert. Vielleicht hat er deswegen getrunken. Verdammt, die Hitze war ja wohl Grund genug. So viel trinken, wie man kann, und dann an einem kühlen Örtchen das Bewusstsein verlieren. Wo auch immer er sich gerade befindet, hier ist es jedenfalls kühl. Er könnte wetten, dass seine Frau
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