Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
Seele.«
»Lassen Sie mich !«
»Sie wollen reden, Hoffstätter, das spüre ich. Denn Sie müssen es loswerden, der Druck ist zu stark.«
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
»Beginnen Sie ganz von vorn. Ich habe Zeit, viel Zeit.«
Und endlich öffnete sich sein Mund, und mit einem Mal sprudelten die Worte aus ihm heraus.
»Es war in Süddeutschland, in der Gegend, wo ich aufgewachsen bin. Ich kam während meines Studiums öfter dorthin zurück, weil ich unter Heimweh litt. Und da sah ich sie eines Tages, ein junges Mädchen, etwa vierzehn Jahre alt. Sie wurde von ihren Freundinnen Marie gerufen. Ich ging ihr nach, bald fand ich alles über sie heraus, wo sie wohnte, welche Gewohnheiten sie hatte. Ich … ich fühlte mich zu ihr hingezogen. Ich weiß, wie furchtbar das klingt. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Um es kurz zu machen – ich hab mich unsterblich in dieses Mädchen verliebt. Fortan folgte ich ihr wie ein Schatten, es war stärker als ich. Ich verachtete mich selbst dafür, glauben Sie mir. Und ich hegte keine bösen Absichten, wollte bloß in ihrer Nähe sein. Anfangs zumindest. Natürlich wurde der Drang stärker, sie zu berühren und …«
Er brach ab.
Trojan schluckte. »Weiter«, sagte er kaum hörbar.
»Es wurde zum Zwang. Ich musste ihr nachgehen, immer. Dabei verhielt ich mich geschickt. Sie war völlig ahnungslos. Mittlerweile wusste ich auch von dem Waldstück, durch das sie radelte, auf ihrem Weg zum Musikunterricht. Sie spielte Klarinette, und das ziemlich gut, ich hab ihr oft von draußen zugehört, es war im Sommer, alle Fenster der Musikschule standen offen. Wissen Sie, es war nicht so, dass ich bei Frauen keinen Eindruck hinterließ, ich war zu der Zeit sogar locker mit einer Kommilitonin liiert, aber Marie … von ihr träumte ich, und sie war es, die meine Gedanken besetzte.«
Trojan war um Fassung bemüht, er durfte sich nicht anmerken lassen, wie sehr ihn diese Rechtfertigungsversuche anwiderten. Mit einer knappen Geste bedeutete er Hoffstätter fortzufahren.
»An einem sonnigen Julitag wartete ich in dem Waldstück auf sie. Als ich sie kommen sah, stellte ich mich ihr in den Weg. Sie stieg vom Rad. Ich wollte mit ihr nur reden. Einfach nur reden. Aber sie bekam Angst vor mir. Sie ließ die Lenkstange los, und ihr Fahrrad fiel ins Gras. Dann rannte sie los. Ich musste ihr nach. Ich musste doch verhindern, dass sie schlecht von mir sprach. Ich wollte nicht für einen Perversling gehalten werden. Und sie sollte doch auch nichts Falsches von mir denken. Sie war schnell, doch dann holte ich sie ein. Ich stammelte ihren Namen, rief, sie solle stehen bleiben. Das versetzte sie erst recht in Panik. Sie schrie etwas. Ich packte sie am Nacken, aber sie konnte sich befreien. Bloß das Halsband bekam ich zu fassen. Dieses Schmuckstück, das sie immer trug.«
Er schaute auf das Plastiktütchen vor ihm auf dem Tisch.
»Weiter«, murmelte Trojan, »was geschah dann ?«
»Ich hielt das Halsband in der Hand. Es ist das Einzige, was mir von ihr blieb.«
»Was ist passiert ?«
»Das Waldstück endet an einer Bundesstraße. Sie rannte weiter, ohne nach links und rechts zu schauen. Da kam ein LKW . Erfasste sie und schleifte sie einige Meter mit sich fort.«
Trojan stieß die Luft aus.
»Ich zog mich in den Wald zurück. Der Fahrer hatte mich wohl nicht gesehen. Niemand hat mich gesehen. In der Zeitung las ich, dass Marie auf der Stelle tot war. Ich ging heimlich zu ihrer Beerdigung, dabei sah ich ihre Mutter, Sanne, und Siri, ihre Schwester. Der leibliche Vater ließ sich nicht blicken. Ich stellte Nachforschungen an, dabei fand ich heraus, dass Sanne alleinerziehend war. Einige Wochen später brachte ich den Mut auf, sie anzusprechen.«
»Warum ?«
»Ich hatte Schuldgefühle, wollte es irgendwie wiedergutmachen. Ich hörte ihr zu, spendete ihr Trost. Mehr konnte ich doch nicht tun.«
»Und sie hat nie erfahren, dass Sie Marie im Wald gefolgt waren ?«
Er schüttelte den Kopf.
»Und Siri ?«
»Sie fand vor kurzem das Halsband bei mir und stellte mich zur Rede. Ich leugnete alles.«
»Und da sie Ihnen gefährlich wurde, gaben Sie ihr die Schlaftabletten.«
Er schwieg.
»Kommen wir zu Mara Hertling. Wie haben Sie sie kennengelernt ?«
»Ich sah sie eines Tages an einer Bushaltestelle. Es traf mich wie ein Schlag. Sie hatte eine unglaubliche Ähnlichkeit mit dem Mädchen von damals, sie sah aus, als sei sie die erwachsene Marie. Ich musste sie ansprechen, lud sie auf
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