Die Totgesagten
ich gesehen, dass sie es in ihr Tagebuch geschrieben hat. Also hat es doch gestimmt! Sie hat wirklich so gedacht, und deshalb hat sie bestimmt hinter meinem Rücken so eine Scheiße erzählt.«
Tine stieß aus Versehen ein Glas vom Tablett. Die Scherben verteilten sich im Umkreis von mehreren Metern auf dem Fußboden.
» KACKE !« Tina stellte das Tablett ab. Sie nahm einen Besen und fegte die Glasscherben zusammen. »Kacke, Kacke, Kacke.«
»Hör mal«, sagte Calle ruhig. »Ich habe Barbie nie ein böses Wort über dich sagen hören. Soweit ich weiß, hat sie dir sogar Mut gemacht. Das hast du doch bei unserer letzten Sitzung mit Lars gesagt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass du ein paar Krokodilstränen zerdrückt hast.«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich so blöd wäre, schlecht über eine Tote zu reden?« Sie fegte die letzten Scherben auf die Schaufel.
»Du kannst ihr nicht vorwerfen, was sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Es war doch nur die Wahrheit. Dein Gekrächze ist grauenhaft. An deiner Stelle würde ich schon mal an meiner Bewerbung bei McDonald’s feilen.« Er lachte und warf einen kurzen Blick in die Kamera.
Tina ließ den Handfeger auf den Boden fallen und machte einen Schritt auf ihn zu. Ganz nah an seinem Gesicht zischte sie: »Du solltest das Maul besser nicht so weit aufreißen, Calle. Du warst nicht der Einzige, der an ihrem letzten Abend was gehört hat. Und du bist schließlich auch ziemlich ausgerastet. Weil Barbie gesagt hat, dass sich deine Mutter wegen deinem Vater umgebracht hat. Und das hat sie hinterher auch abgestritten. Wenn ich du wäre, würde ich also lieber den Mund halten.«
Sie nahm das Tablett und verschwand im Restaurant. Calle war bleich geworden. Ihm gingen die harten Worte durch den Kopf, die er Barbie an ihrem letzten Abend an den Kopf geknallt hatte. Er sah ihren ungläubigen Blick jetzt noch vor sich. Unter Tränen hatte sie geschworen, sie habe so etwas nicht gesagt und würde es auch nie sagen. Calle wurde das Gefühl nicht los, dass das der Wahrheit entsprochen hatte.
»Patrik,hast du einen Moment Zeit?« Annika verstummte, als sie sah, dass er telefonierte.
Er machte ihr ein Handzeichen, dass sie warten sollte. Das Gespräch schien sich dem Ende zu nähern.
»Na gut, dann machen wir es so«, sagte Patrik verärgert. »Wir bekommen das Tagebuch, und Sie erfahren es aus erster Hand, wenn wir den Täter haben.«
Er knallte den Hörer auf die Gabel und drehte sich mit gequältem Gesichtsausdruck zu Annika um. »Was für Idioten!«
»Der Reporter vom Abendblatt ?« Annika setzte sich.
Patrik seufzte. »Ich habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Wahrscheinlich hätten wir das Tagebuch sowieso bekommen, aber das würde noch länger dauern. Wir schachern jetzt schon ewig mit denen. Aber so ist es nun mal. Die reinsten Geier.«
»Ja«, stimmte Annika ihm zu. Erst jetzt merkte Patrik, dass sie unbedingt etwas loswerden wollte.
»Was hast du auf dem Herzen?«
»Die Anfrage, die ich am Montag rausgeschickt habe, hat zu guten Ergebnissen geführt.« Sie konnte nicht verhehlen, wie stolz sie war.
»Jetzt schon?«, fragte Patrik erstaunt.
»Ja, in diesem Fall war die mediale Aufmerksamkeit, die sich momentan auf Tanum richtet, von Vorteil.«
»Was hast du denn?« Seine Stimme bekam plötzlich einen ungeduldigen Unterton.
»Möglicherweise zwei weitere Fälle.« Sie warf einen Blick auf ihre Papiere. »Zumindest stimmen die Todesumstände hundertprozentig überein. Und …« Sie zögerte. »… man hat bei beiden das Gleiche gefunden wie bei Rasmus und Marit.«
»Ach, du Scheiße.« Patrik beugte sich nach vorn. »Erzähl mir mehr, erzähl mir alles.«
»Der eine Fall ist in Lund passiert. Ein Mann um die vierzig, vor sechs Jahren gestorben. Er war starker Alko holiker,und obwohl seine Verletzungen gewisse Rätsel aufgaben, nahm man an, er hätte sich zu Tode gesoffen.« Patrik nickte ihr ungeduldig zu.
»Der andere Todesfall ereignete sich vor zehn Jahren. In Nyköping. Eine Frau um die siebzig. Man ging von Mord aus, aber der Fall wurde nie aufgeklärt.«
»Zwei Morde.« Patrik ging allmählich auf, was hier noch auf ihn zukam. »Wir haben es also mit vier Morden zu tun, zwischen denen eine Verbindung zu bestehen scheint.«
»Sieht ganz so aus.« Annika nahm die Brille ab und drehte sie zwischen den Fingern.
»Vier Morde«, wiederholte Patrik matt. Die Müdigkeit lag wie ein grauer Schleier auf seinem Gesicht.
»Und der Mord an Lillemor
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