Die Totgesagten
immer wieder mein Unglück durchgekaut habe. Du müsstest meine Stimme satthaben.« Lachend putzte sie sich die Nase.
Dan ließ seine Hand liegen, wo sie war: »Ich habe es überhaupt nicht satt, dir zuzuhören. Von mir aus könntest du Tag und Nacht reden.«
Es folgte eine durchaus angenehme Stille. Die beiden sahen sich an. Die Wärme, die von Dans Hand ausging, breitete sich in Annas ganzem Körper aus und taute Regionen auf, deren Existenz sie schon völlig vergessen hatte. Dan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte Annas Handy. Sie zuckten zusammen. Anna zog die Hand weg, holte das Telefon aus der Tasche und sah aufs Display.
»Erica«, sagte sie entschuldigend. Dann stand sie auf.
Diesmal hatte Patrik seine Kollegen in der Küche zusammengetrommelt. Was er ihnen zu berichten hatte, war nicht leicht zu verdauen, da konnte eine Tasse Kaffee und ein bisschen Gebäck nicht schaden. Er wartete, bis sich die anderen gesetzt hatten, blieb selbst aber stehen. Alle Augen richteten sich gespannt auf ihn. Annika hatte noch nichts verraten. Nur, dass es ein großes Ding war. Das sah man auch an Patriks verbissener Miene. Ein Vogel flog vor dem Küchenfenster vorbei und lenkte für einen Moment die Aufmerksamkeit auf sich. Doch schnell wanderten die Blicke wieder zu Patrik.
»Nehmt euch einen Kaffee und ein Teilchen, dann fangen wir an«, sagte Patrik mit ernster Stimme. Unter Gemurmel wurden die Kanne und der Korb mit dem Gebäck herumgereicht. Dann wurde es still.
»Annika hat am Montag in meinem Auftrag eine Anfrage an alle Polizeidienststellen rausgeschickt. Sie hat sichnach Mordfällen erkundigt, die Ähnlichkeiten mit den Morden an Marit und Rasmus aufweisen.«
Hanna meldete sich, und Patrik nickte ihr zu.
»Was genau stand denn in dieser Anfrage?«
»Wir haben eine Liste mit Besonderheiten rausgeschickt, die an unseren beiden Mordfällen auffällig waren. Es geht hauptsächlich um die Todesart und den Gegenstand, der in der Nähe beider Mordopfer gefunden wurde.«
Letzteres war Gösta und Hanna neu. Mit fragenden Gesichtern beugten sie sich nach vorn.
»Was für ein Gegenstand?«, wollte Gösta wissen.
Patrik warf Martin einen Blick zu. »Als Martin und ich den Rucksack untersuchten, den Rasmus zum Todeszeitpunkt bei sich hatte, haben wir etwas entdeckt, was wir auch in der Nähe von Marit gefunden haben. In ihrem Fall lag es auf dem Beifahrersitz. Wir hatten der Sache anfänglich keine Beachtung geschenkt, weil wir dachten, es wäre ganz normaler Müll, wie er sich im Auto gerne mal ansammelt. Aber als wir in Rasmus’ Rucksack genau das Gleiche fanden …«
»Was denn?« Gösta beugte sich noch weiter vor.
»Eine herausgerissene Seite aus einem Buch. Einem Märchenbuch«, sagte Patrik.
»Aus einem Märchenbuch?«, wiederholte Gösta ungläubig. Auch Hanna machte einen verwirrten Eindruck.
»Ja, die Seiten stammen aus Hänsel und Gretel , ihr wisst schon, das Märchen von den Gebrüdern Grimm.«
»Du machst Witze«, sagte Gösta.
»Leider nicht. Aber das ist noch nicht alles. Es sind noch zwei weitere Fälle aufgetaucht, die höchstwahrscheinlich mit unseren in Verbindung stehen.«
»Noch zwei Fälle?« Nun machte Martin ein ungläubiges Gesicht.
Patrik nickte. »Wir haben es heute Morgen erfahren. Es gibt zwei weitere Fälle, die in unser Schema passen. Einen in Nyköping und einen in Lund.«
»Alsozwei weitere Fälle?«, wiederholte Martin. Sein Gehirn hatte offensichtlich Schwierigkeiten, die Neuigkeiten zu verarbeiten. Patrik konnte ihn verstehen.
»Gibt es wirklich keinen Zweifel daran, dass die vier Fälle zusammenhängen?«, fragte Hanna. »Das Ganze klingt irgendwie zu unglaubwürdig.«
»Sie sind auf genau die gleiche Weise zu Tode gekommen, und bei allen wurde eine Seite aus demselben Buch gefunden«, gab Patrik trocken zurück. Es erstaunte und irritierte ihn ein wenig, dass man seine Theorie in Frage stellte. »Wir werden bei unseren Ermittlungen auf jeden Fall weiterhin von der Annahme ausgehen, dass es einen Zusammenhang gibt.«
Nun meldete sich Martin zu Wort.
»Waren die anderen Mordopfer auch Antialkoholiker?«
Patrik schüttelte zögerlich den Kopf. Dieser Punkt störte ihn am meisten. »Nein«, sagte er. »Das Mordopfer in Lund war ein starker Alkoholiker. Über den Toten in Nyköping hat die Polizei diesbezüglich keine Angaben gemacht. Ich denke, wir sollten hinfahren und mit ihnen reden. Wir brauchen mehr
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