Die Totgesagten
Konrad und ihrem Ehemann Platz genommen. Dass sie das Kommando übernahm, schien niemand zu stören. »Ich habe die Ermittlungen im Mordfall Elsa Forsell geleitet«, begann sie, als hätte sie Patriks Gedanken gelesen. »Konrad und Rickard waren in meinem Team. Wir haben viel Arbeit investiert, kamen aber ab einem gewissen Punkt nicht weiter. Bis vorgestern Ihre Suchmeldung eintraf.«
»Als wir von der Buchseite hörten, wussten wir sofort, dass die Fälle zusammenhängen.« Rickard faltete die Hände. Patrik fragte sich, wie es wohl war, die eigene Frau zur Chefin zu haben. Obwohl sich Patrik als gleichberechtigten und aufgeklärten Mann betrachtete, hätte er Schwierigkeiten gehabt, Erica als Vorgesetzte zu akzeptieren. Auf der anderen Seite wäre sie wahrscheinlich auch nicht gern seine Chefin gewesen.
»Rickard und ich haben erst nach Abschluss der Ermittlungen geheiratet. Seitdem arbeiten wir in verschiedenen Einheiten.« Patrik wurde rot. Hatte Gerda seine Gedanken gelesen? Dann wurde ihm klar, dass es nicht schwer zu erraten gewesen war, was für Überlegungen er gerade angestellt hatte. Vermutlich war er nicht der Erste.
»Wo befand sich die Buchseite?«, wechselte er das Thema. In Gerdas Mundwinkeln zuckte ein wissendes Lächeln. Nun ergriff Konrad das Wort.
»Siesteckte in einer Bibel neben der Leiche.«
»Wo wurde die Tote gefunden?«
»In ihrer Wohnung. Von einem Mitglied ihrer Gemeinde.«
»Was für eine Gemeinde?«
»Die Liebfrauengemeinde«, antwortete Gerda. »Eine katholische Gemeinde.«
»Katholisch?«, wunderte sich Martin. »Stammte Elsa Forsell denn aus Südeuropa?«
»Katholizismus kommt nicht nur im Süden vor.« Martins Wissenslücke war Patrik etwas peinlich. »Er ist auf der ganzen Welt verbreitet, und auch in Schweden gibt es Tausende von Katholiken.«
»Ganz richtig«, bestätigte Rickard. »Es gibt etwa hundertsechzigtausend Katholiken in Schweden. Elsa war seit vielen Jahren katholisch. Im Prinzip war die Gemeinde ihre Familie.«
»Hatte sie keine Angehörigen?«
»Nein, wir haben keine nahen Verwandten gefunden.« Gerda schüttelte den Kopf. »Wir haben viele Mitglieder ihrer Gemeinde verhört, um herauszufinden, ob es dort vielleicht eine Art Spaltung gab. Theoretisch hätte alles der Grund für den Mord sein können. Aber es ist nichts dabei herausgekommen.«
»Wir würden gern mit jemand aus ihrer Gemeinde reden. Wer stand ihr nahe?« Martin hielt Stift und Block bereit.
»Der Pfarrer, keine Frage. Silvio Mancini. Der stammt nun tatsächlich aus Südeuropa«, fügte Gerda augenzwinkernd hinzu. Martin wurde rot.
»Das Mordopfer in Tanum scheint gefesselt worden zu sein, oder?« Rickards Frage war an Patrik gerichtet.
»Ja, das stimmt. Unser Rechtsmediziner hat an Armen und Handgelenken Fesselspuren gefunden. Ich habe gehört, dass Sie bei Elsa Forsell aus genau diesem Grund sofort auf Mord getippt haben?«
»Ja.« Gerda schob ihnen ein Foto über den Tisch. Pa trikund Martin konnten die Spuren deutlich erkennen. Elsa Forsell war offensichtlich gefesselt worden. Patrik erkannte auch die merkwürdigen blauen Flecke am Mund wieder. »Haben Sie auch Spuren von Klebstoff gefunden?«
Gerda nickte. »Ja, von ganz gewöhnlichem braunem Klebeband.« Sie räusperte sich. »Sie werden sicher verstehen, dass wir sehr an allem interessiert sind, was Sie über die Mordfälle wissen. Im Gegenzug lassen wir Sie natürlich auch an unseren Informationen teilhaben. Ich weiß, dass es unter den Polizeibezirken manchmal Rivalitäten gibt, aber wir sollten uns aufrichtig um gute Zusammenarbeit bemühen.« Es klang nicht wie eine Bitte, sondern wie eine Feststellung. Patrik nickte, ohne zu zögern.
»Selbstverständlich. Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Genau, wie Sie auf unsere. Also würde ich sagen, Sie geben uns Kopien von Ihrem Material, und wir geben Ihnen alles, was wir haben. Und wir bleiben telefonisch in Kontakt.«
»Gut«, sagte Gerda.
Patrik entging nicht, dass ihr Mann ihr einen bewundernden Blick zuwarf. Patriks Respekt vor Rickard Svensson wuchs. Man musste schon ein echter Kerl sein, um zu akzeptieren, dass die eigene Frau auf der Karriereleiter etwas höher geklettert war.
»Wissen Sie, wo wir Silvio Mancini erreichen?«, erkundigte sich Martin, als sie sich verabschiedeten.
»Die katholische Gemeinde hat ihre Räumlichkeiten in der Innenstadt.« Konrad schrieb die Adresse auf einen Block, riss die Seite heraus und reichte sie Martin, wobei er ihnen kurz den Weg
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