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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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in fehlerlosem Schwedisch mit starkem italienischem Akzent: »So, womit kann ich der Polizei dienen?«
    »Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen zu Elsa Forsell stellen.«
    Silvio seufzte. »Ich habe immer gehofft, dass die Polizei früher oder später einen Anhaltspunkt findet. Auch wenn das Fegefeuer für mich eine höchst reale Dimension hat, ziehe ich es vor, dass Mörder ihre Strafe bereits in diesem Leben bekommen.« Sein Lächeln drückte Humor und Einfühlungsvermögen aus. Patrik hatte den Eindruck, dass Silvio und Elsa sich sehr nahegestanden hatten.
    »Elsa und ich waren viele Jahre befreundet. Sie hat sich in der Gemeinde sehr engagiert. Außerdem war ich ihr Beichtvater.«
    »War Elsa von Geburt an katholisch?«
    »Nein«, lachte Silvio. »Das sind in diesem Land die wenigsten. Die meisten sind Einwanderer aus katholischen Ländern. Aber Elsa besuchte einen unserer Gottesdienste und fand bei uns, so kann ich es wohl sagen, ein Zuhause. Elsa hatte …« Silvio zögerte. »Elsa hatte eine verwundete Seele. Sie war auf der Suche. Sie suchte etwas, was sie bei uns gefunden hat.«
    »Und was suchte sie?« Patrik betrachtete den Mann genau. Er hatte ein durch und durch sympathisches Wesen und strahlte Ruhe und Frieden aus. Ein wahrer Gottesmann.
    Silvio schwieg lange, bevor er eine Antwort gab. Er wählte seine Worte mit äußerstem Bedacht, doch schließlich sah er Patrik in die Augen und sagte: »Vergebung.«
    »Vergebung?« Martin machte große Augen.
    »Vergebung«, wiederholte Silvio ruhig. »Die suchen wir alle, die meisten von uns wissen es nur nicht. Vergebung für unsere Sünden, für unsere Unterlassungen, unsere Mängel und für unsere Fehler. Vergebung für Dinge, die wir getan haben … und Dinge, die wir nicht getan haben.«
    »Wofür suchte Elsa Forsell Vergebung?« Patrik sah den Pfarrer eindringlich an. Einen Augenblick lang schien es, als wollte Silvio ihnen etwas erzählen. Doch dann senkte er den Blick und sagte: »Die Beichte ist heilig. Außerdem, was spielt das für eine Rolle? Wir alle brauchen Vergebung.«
    Patrik hatte das Gefühl, dass sich hinter diesen Worten mehr verbarg, aber er wusste genug über das Beichtgeheimnis, um den Pfarrer nicht unter Druck zu setzen.
    »Wie lange war Elsa in der Gemeinde?« »Achtzehn Jahre. Wie gesagt, mit den Jahren wurden wir enge Freunde.«
    »Wissen Sie, ob Elsa Feinde hatte? Gab es jemand, der ihr schaden wollte?«
    Wieder zögerte der Pfarrer kurz, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein, davon ist mir nichts bekannt. Elsa hatte außer uns niemand, weder Freund noch Feind. Wir waren ihre Familie.«
    »Ist das normal?« In Martins Frage schwang ein skeptischer Unterton mit.
    »Ich weiß, was Sie denken«, erwiderte der Mann mit den silbernen Haaren seelenruhig. »Nein, solche Regeln oder Einschränkungen gibt es bei uns nicht. Die meisten Mitglieder haben Familie und Freunde, genau wie in jeder anderen christlichen Gemeinde auch. Aber Elsa hatte nur uns.«
    »Die Art, wie sie zu Tode kam, war auffällig«, wechselte Patrik das Thema. »Man hat ihr Alkohol in großen Mengen eingeflößt. Was für eine Einstellung hatte Elsa zum Alkohol?«
    Wieder meinte Patrik ein Zögern wahrzunehmen, eine bewusste Zurückhaltung, doch dann sagte der Pfarrer lachend: »Die gleiche wie die meisten anderen auch. Hin und wiederhat sie sich am Samstagabend ein, zwei Gläschen Wein gegönnt, aber Exzesse kamen bei ihr nicht vor. Ich würde sagen, sie hatte eine ziemlich normale Einstellung zum Alkohol. Durch mich hat sie übrigens italienische Weine schätzen gelernt, wir haben hier ab und zu sogar eine Weinprobe veranstaltet. Diese Treffen waren sehr beliebt.«
    Patrik zog eine Augenbraue hoch. Der katholische Pfarrer erstaunte ihn immer mehr.
    Nachdem er überlegt hatte, ob er noch eine Frage vergessen hatte, legte er seine Visitenkarte auf den Tisch. »Rufen Sie mich an, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
    »Tanum.« Silvio betrachtete die Karte. »Wo liegt das?«
    »An der Westküste.« Patrik stand auf. »Zwischen Strömstad und Uddevalla.«
    Zu Patriks Erstaunen wurde Silvio kreidebleich. Einen Moment lang war er genauso weiß im Gesicht wie Martin auf der gestrigen Autofahrt. Dann fasste er sich wieder und nickte kurz. Verwundert verabschiedeten sich Patrik und Martin. Beide hatten das Gefühl, dass Silvio Mancini viel mehr wusste, als er sagte.
    Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft. Alle waren neugierig, was Patrik und Martin auf ihrem Wochenendausflug

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