Die Totgesagten
letzten Abend zur Rede gestellt habt, vergesst es! Die hat bloß gekriegt, was sie verdient hat!« Tina warf die Haare zurück.
»Hatte sie auch den Tod verdient?«, fragte Lars ruhig.
Es wurde totenstill im Zimmer. Tina kaute nervös auf einemFingernagel. Dann sprang sie auf und rannte hinaus. Alle Blicke folgten ihr.
Die Straße vor ihnen erstreckte sich ins Unendliche. Die lange Autofahrt setzte ihnen allmählich zu, und auf dem Beifahrersitz dehnte Patrik seine Nackenmuskulatur. Heute saß Martin am Steuer. Er hoffte, seine Reiseübelkeit auf diese Weise besser unter Kontrolle zu halten. Tatsächlich hatte es funktioniert, und bis Nyköping war es nicht mehr weit. Martin gähnte und steckte Patrik an. Sie mussten beide lachen.
»Gestern Abend ist es wohl ein bisschen spät geworden«, seufzte Patrik.
»Das glaube ich auch. Aber es gab ja auch viel zu tun.«
»Stimmt«, nickte Patrik. Im Hotelzimmer hatten sie den Fall unzählige Male durchgekaut. Martin war erst in den frühen Morgenstunden in sein Zimmer gegangen, und beide hatten noch eine Stunde wach gelegen, weil ihnen so viele offene Fragen durch den Kopf gingen.
»Wie geht es eigentlich Pia?« Patrik wollte endlich mal über etwas anderes reden.
»Gut!« Martin strahlte. »Die ständige Übelkeit hat sich gelegt, im Moment geht es ihr super. Mann, das ist alles so aufregend!«
»Allerdings.« Patrik lächelte und dachte an Maja. Er hatte schreckliche Sehnsucht nach ihr und Erica.
»Wollt ihr wissen, was es wird?«, fragte Patrik auf der Abfahrt nach Nyköping neugierig.
»Ich weiß nicht recht. Ich glaube, eher nicht.« Martin konzentrierte sich auf die Verkehrsschilder. »Wie habt ihr es gemacht? Wolltet ihr es vorher wissen?«
»Nein. Ich finde, das ist irgendwie geschummelt. Wir haben uns überraschen lassen. Beim ersten Kind spielt es ja wirklich keine Rolle. Aber es wäre natürlich schön, wenn es beim nächsten Mal ein Junge wird. Dann hat man eins von jeder Sorte.«
»Kriegtihr etwa …?« Martin sah ihn an.
»Nein, nein.« Patrik schüttelte lachend den Kopf. »Um Gottes willen, jetzt noch nicht. Wir müssen uns erst einmal an das Leben zu dritt gewöhnen. Aber später vielleicht …«
»Und was sagt Erica dazu? Ich meine, sie hatte es zu Anfang ja nicht ganz leicht …« Martin verstummte. Er war nicht sicher, ob er das Thema anschneiden sollte.
»Ehrlich gesagt, haben wir noch gar nicht darüber gesprochen. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass wir zwei Kinder wollen«, meinte Patrik nachdenklich. »So, jetzt sind wir aber endlich da.« Damit war das Thema beendet.
Sie stiegen aus dem Auto und streckten erst einmal die schmerzenden Gliedmaßen. Für Patrik war es innerhalb kürzester Zeit der dritte Besuch in einer auswärtigen Polizeidienststelle. Die Kommissarin, die sie begrüßte, bestätigte seinen Eindruck, dass die schwedische Polizei alles andere als homogen war. Außerdem war er noch nie einem Menschen begegnet, dessen Äußeres so schlecht zu dem Bild passte, das man sich von seinem Namen machte. Gerda Svensson war um einiges jünger, als er erwartet hatte, ungefähr um die dreißig, und trotz ihres typisch schwedischen Namens erinnerte ihre Hautfarbe an dunkles Mahagoni. Sie war eine beeindruckend schöne Frau. Patrik ertappte sich dabei, wie er sie mit offenem Mund anstarrte, und stellte nach kurzem Seitenblick fest, dass Martin sich genauso dämlich benahm. Unauffällig stieß er seinen Kollegen mit dem Ellbogen in die Rippen und reichte Kommissarin Gerda Svensson die Hand.
»Meine Kollegen erwarten uns im Konferenzraum.« Gerda Svenssons äußerst angenehme Stimme war gleichzeitig tief und weich. Patrik konnte kaum den Blick von ihr abwenden.
Auf dem Weg zum Konferenzraum wurde kein Wort gesprochen, nur das Geräusch ihrer Schritte war zu hören. Als sie den Raum betraten, kamen zwei Männer auf sie zu,um sie zu begrüßen. Der eine war etwa fünfzig, klein und untersetzt, hatte aber ein Blitzen in den Augen und ein warmherziges Lächeln. Er hieß Konrad Meltzer. Der andere war etwa im gleichen Alter wie Gerda, ein großer, sportlicher blonder Mann. Patrik malte sich die beiden als außerordentlich attraktives Paar aus. Als Rickard Svensson sich vorstellte, wurde Patrik klar, dass sie schon vor ihm auf diese Idee gekommen waren.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, verfügen Sie über interessante Informationen zu einem Mordfall, der seit langem ungelöst in unseren Akten liegt.«
Gerda hatte gegenüber von
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