Die Totgesagten
wieder seinem Mittagessen.
»Wie war Ihre Frage? Welche Namen?« Sofie sah Gösta und Hanna mit glasigen Augen an. Offenbar hatte sie Fieber.
»Wir haben gefragt, ob deinem Vater – oder dir – die Namen Börje Knudsen oder Elsa Forsell etwas sagen.«
Sofie überlegte eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf und sah ihren Vater fragend an. »Kennst du die?«
»Nein, noch nie gehört. Was sind das für Leute?«
»Zwei weitere Mordopfer«, erwiderte Hanna leise.
Ola zuckte zusammen, und seine Gabel verharrte schwebend vor seinem Mund. »Was sagen Sie da?«
»Es handelt sich um zwei Personen, die demselben Mörder zum Opfer gefallen sind wie Ihre Exfrau. Deine Mutter«, fügte Hanna hinzu, ohne Sofie anzusehen.
»Was soll der Mist? Zuerst fragen Sie mich nach diesem Rasmus, und dann kommen Sie mit noch zwei Toten. Was macht die Polizei eigentlich den ganzen Tag?«
»Wir arbeiten rund um die Uhr«, antwortete Gösta ärgerlich. Dieser Kerl trieb ihn zur Weißglut. Er atmete tief durch. »Die Mordopfer lebten in Lund und Nyköping. Hatte Marit irgendeine Verbindung zu diesen Orten?«
»Wie oft soll ich es noch sagen? Marit und ich haben uns in Norwegen kennengelernt und sind mit achtzehn zusammen hierhergezogen, um zu arbeiten. Und seitdem haben wir nirgendwo sonst gewohnt! Geht das nicht in Ihre Köpfe?«
»Beruhige dich, Papa.« Sofie legte ihm eine Hand auf den Arm. Offenbar brachte ihn das wieder zu Besinnung, denn nun fügte er in beherrschtem, aber eiskaltem Ton hinzu: »Machen Sie lieber Ihre Arbeit, als ständig hier anzukommen und uns auszuquetschen. Wir wissen nichts!«
»Vielleicht wissen Sie nicht, dass Sie etwas wissen«, sagte Gösta. »Und es ist unsere Aufgabe, das herauszufinden.«
»WissenSie, warum Mama umgebracht wurde?« Sofies Stimme klang kläglich. Aus dem Augenwinkel sah Gösta, wie Hanna sich abwendete. Trotz ihrer harten Schale schien der Kontakt mit Hinterbliebenen von Mord- oder Unfallopfern sie immer noch stark zu belasten. Diese Eigenschaft machte ihr die Arbeit zwar nicht leichter, war aber letztendlich positiv. Er selbst fühlte sich nach den vielen Dienstjahren viel zu abgestumpft. In einem plötzlichen Anflug von Selbsterkenntnis wurde ihm klar, dass er sich vielleicht deshalb in den letzten Jahren innerlich von seinem Beruf distanziert hatte. Sein Maß war voll. Mehr Elend konnte er einfach nicht ertragen, und deswegen ließ er es nicht mehr an sich heran.
»Darüber können wir im Moment nichts sagen.« Er wendete sich an Sofie, der nun anscheinend richtig schlecht war. Hoffentlich steckten sie sich nicht bei ihr an. Mit einem Magen-Darm-Infekt, der das gesamte Kommissariat lahmlegte, würden sie sich sicher keine Freunde machen.
»Gibt es irgendetwas, ganz egal, was, was Sie uns noch nicht über Marit erzählt haben, uns aber gern mitteilen würden? Jede Information könnte uns helfen, einen Zusammenhang zwischen Marit und den anderen Mordopfern zu finden.« Gösta fixierte Ola. Er wurde das Gefühl nicht los, dass der Mann ihnen etwas verschwieg.
Ohne seinem Blick auszuweichen, antwortete Ola mit zusammengepressten Zähnen: »Wir – wissen – nichts! Fragen Sie diese Lesbe, vielleicht weiß die ja was!«
»Ich … ich …«, stammelte Sofie und sah ihren Vater unsicher an. »Ich …«, begann sie von neuem, aber Olas Blick brachte sie zum Schweigen. Dann raste sie mit der Hand vorm Mund aus der Küche. Aus dem Badezimmer hörte man, wie sie sich übergab.
»Meine Tochter ist krank. Bitte gehen Sie jetzt.«
Gösta sah Hanna fragend an, und sie zuckte mit den Schultern. Während sie zur Tür gingen, fragte er sich, was Sofie ihnen noch zu sagen versucht hatte.
Inder Bibliothek war am Montagmorgen wenig los. Früher war es nur ein kurzer Spaziergang dorthin gewesen, seit die Bücherei ins Kulturhaus »Futura« verlegt worden war, musste Patrik das Auto nehmen. Als er hereinkam, stand niemand am Tresen, aber nachdem er vorsichtig »Hallo!« gerufen hatte, kam hinter einem der vielen Regale die Bibliothekarin von Tanum zum Vorschein.
»Hallo, was machst du denn hier?«, fragte Jessica erstaunt und zog eine Augenbraue hoch. Patrik wurde bewusst, dass er schon eine ganze Weile keinen Fuß mehr in die Bibliothek gesetzt hatte. Ungefähr seit der Oberstufe. Wie viele Jahre das her war, wollte er lieber nicht nachrechnen. Jedenfalls hatte Jessica damals mit Sicherheit noch nicht hier gearbeitet, denn sie war genauso alt wie er.
»Hallo. Ich wollte fragen, ob mir
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