Die Totgesagten
nachdenklich an. Dann gab sie sich einen Ruck. »Also, … eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden, aber ich glaube, ich verrate es dir doch: Wir wollen euch den Polterabend und den Junggesellenabschied ersparen. Wahrscheinlich ist das einfach nicht der richtige Moment für solchen Quatsch. Stattdessen haben wir für den Freitag eine Übernachtung mit Abendessen im Stora Hotel für euch gebucht. Dort könnt ihr euch in aller Ruhe auf den Samstag einstimmen. Hoffentlich seid ihr einverstanden.«
»Wie lieb von euch! Tolle Idee. Patrik hat bestimmt keine Lust auf einen Junggesellenabend. Super, dann können wir uns am Freitag ein bisschen entspannen. Am Samstag haben wir wahrscheinlich keine Gelegenheit dazu.«
»Das glaube ich auch nicht«, lachte Anna. Sie war erleichtert, dass ihre Idee so gut ankam.
»Ich habe übrigens beschlossen, ein paar Nachforschungen anzustellen«, wechselte Erica abrupt das Thema. »Über Mama.«
»Nachforschungen? Was meinst du damit?«
»Na ja, … ein bisschen Ahnenforschung. Woher sie stammte und so. Vielleicht finden wir eine Erklärung.«
»Hältst du das wirklich für nötig?« Anna war skeptisch. »Dukannst natürlich machen, was du willst, aber Mama war von Natur aus unsentimental. Wahrscheinlich hat sie deswegen nichts aufbewahrt und nichts von ihrer Kindheit erzählt. Du weißt doch, wie wenig Lust sie hatte, unsere Kindheit zu dokumentieren.«
In Annas Lachen schwang eine Verbitterung mit, die Erica überraschte. Ihre Schwester hatte eigentlich immer so getan, als würde ihr die Kälte ihrer Mutter nichts ausmachen.
»Bist du denn gar nicht neugierig?« Erica betrachtete ihre Schwester von der Seite.
Anna blickte auf der Beifahrerseite aus dem Fenster. »Nein«, behauptete sie, aber ihr Zögern entlarvte sie.
»Das glaube ich dir nicht. Ich werde auf jeden Fall ein bisschen nachforschen. Wenn dich interessiert, was ich herausfinde, erzähl ich es dir, wenn nicht, dann nicht. Ganz, wie du willst.«
»Angenommen, du findest keine Erklärung.« Anna sah Erica an. »Vielleicht hatte sie eine ganz normale Kindheit und hat sich einfach nicht sonderlich für uns interessiert. Was dann?«
»Dann muss ich eben damit leben«, sagte Erica leise. »So, wie ich es immer getan habe.«
Während der restlichen Fahrt schwiegen sie. Beide waren in Gedanken versunken.
Patrik ging die Liste ein drittes Mal durch. Er musste sich beherrschen, das Telefon nicht pausenlos anzustarren. Wenn es klingelte, hoffte er jedes Mal auf neue Informationen über die Kinder aus Uddevalla. Aber er wurde jedes Mal enttäuscht.
Von der Liste mit den Hundebesitzern und ihren Adressen war er ebenfalls enttäuscht. Sie waren über das gesamte Königreich Schweden verteilt, aber niemand wohnte in der Nähe von Tanum. Die Liste war ein Schuss ins Blaue gewesen, trotzdem hatte er eine gewisse Hoffnung ansie geknüpft. Sicherheitshalber las er sie gewissenhaft ein viertes Mal durch. Einhundertneunundfünfzig Namen. Einhundertneunundfünfzig Adressen, die nächste bei Trollhättan. Patrik seufzte. Seine Arbeit bestand zum Großteil aus langweiligen und zeitraubenden Aufgaben, aber nach den aufregenden Ereignissen der letzten Tage hatte er das beinahe vergessen. Er drehte sich um und warf einen Blick auf die Schwedenkarte an der Wand. Die Stecknadeln schienen ihn anzustarren, ihn herauszufordern, ihm zuzurufen, dass er endlich ihr Muster erkennen und den Kode knacken sollte. Fünf Nadeln, fünf Orte, verteilt über die untere Hälfte des langgezogenen Landes. Warum hatte sich der Mörder zwischen diesen Orten bewegt? Wegen seiner Arbeit? Oder aus Vergnügen? War es Taktik? Wollte er Verwirrung stiften? Lag der Heimatort des Mörders irgendwo anders? Letzteres glaubte Patrik nicht. Irgendetwas sagte ihm, dass sich die Antwort in dem geographischen Muster verbarg. Er glaubte auch, dass der Mörder noch in der Gegend war. Es war mehr ein Gefühl als eine Gewissheit, aber es war so stark, dass er argwöhnisch jeden musterte, der ihm auf der Straße begegnete. War diese Person der Mörder? Oder die da? Wer verbarg sich hinter der Maske der Anonymität und Normalität?
Patrik seufzte. Er blickte auf, als er ein vorsichtiges Klopfen hörte. Gösta trat ein und setzte sich.
»Alsooo … Weißt du, seit wir das mit den Kindern wissen, rührt sich hier oben was bei mir.« Er tippte sich an die Schläfe. »Wahrscheinlich steckt nichts dahinter. Ich muss zugeben, es klingt auch ein bisschen weit hergeholt
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