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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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etwas Vergleichbares empfunden hatte. Er machte einen tiefen Atemzug.
    »Würde es etwas ändern, wenn ich meine Meinung zum Thema Kinder ändern würde?«
    Das Zähneklappern hörte für einen Augenblick auf. Hanna setzte sich mühsam auf und lehnte den Oberkörper gegen die Kissen. Die Decke hatte sie noch immer bis unters Kinn hochgezogen. Sie zitterte so heftig, dass das Bett unter ihnen vibrierte. Die Spannung war mit Händen greifbar. So war es immer: Es machte ihm nichts aus, wenn es ihm selbst nicht gutging, aber wenn Hanna leiden musste, ging für ihn die Welt unter.
    »Das würde alles verändern.« Hanna sah ihn aus fiebrigen Augen an. »Es würde alles verändern, oder nicht?«
    Er wendete ihr wieder den Rücken zu und betrachtete das Dach des Nachbarhauses. »Bestimmt.« Er war sich nicht sicher, ob es die Wahrheit war. »Das würde es.«
    Hanna war eingeschlafen. Er sah sie lange an, dann verließ er auf Zehenspitzen das Schlafzimmer.
    »Kennst du den Weg?«, fragte Patrik, als sie an der Badestelle Badholmen ablegten.
    Gösta nickte. »Klar.«
    Aufder Fahrt nach Kalvö schwiegen sie. Als sie an dem brüchigen Steg anlegten, war Gösta aschfahl im Gesicht. Seit jenem Tag vor fünfunddreißig Jahren war er noch mehrmals hier draußen gewesen, aber jedes Mal tauchten wieder die Bilder von seinem ersten Besuch vor seinem inneren Auge auf.
    Langsam gingen sie zu dem Häuschen hinauf, das auf einer kleinen Anhöhe lag. Es war deutlich zu erkennen, dass es schon lange nicht mehr in Schuss gehalten wurde. Auf der Rasenfläche rings ums Haus wucherten Gräser und Unkraut. Ansonsten gab es nur Granit, so weit das Auge reichte. Wenn man genau hinsah, entdeckte man in den Felsspalten jedoch winzige Pflanzen, die nur darauf warteten, von der Sonne zum Leben erweckt zu werden. An unzähligen Stellen blätterte die weiße Farbe von der Wand ab, so dass das graue, windgepeitschte Holz darunter zum Vorschein kam. Die Dachpfannen hingen schief oder fehlten ganz und ließen das Dach wie einen zahnlosen Mund aussehen.
    Gösta ging voran und klopfte zaghaft an die Tür. Keine Antwort. Er klopfte fester. »Hedda?« Er donnerte mit der Faust gegen die Holztür. Schließlich versuchte er, die Tür zu öffnen. Sie schwang widerstandslos auf.
    Beim Eintreten hielten sie sich instinktiv die Nase zu. Es roch wie in einem Schweinestall. Überall lag Abfall herum, Essensreste, alte Zeitungen und vor allem leere Flaschen.
    »Hedda?« Langsam ging Gösta den Flur entlang. Immer noch keine Antwort.
    »Ich gehe mal nachsehen«, sagte Gösta. Patrik nickte nur. Es ging über seinen Verstand, wie ein Mensch so leben konnte.
    Nach einigen Minuten kam Gösta zurück und winkte Patrik zu sich.
    »Sie liegt im Bett. Völlig fertig. Wir müssen ihr irgendwie Leben einhauchen. Kannst du vielleicht einen Kaffee aufsetzen?«
    Patriksah sich hilflos in der Küche um. Schließlich fand er eine Dose Pulverkaffee und einen leeren Topf. Er wurde offenbar nur zum Wasserkochen benutzt, denn im Gegensatz zu allen anderen Haushaltsgegenständen war er einigermaßen sauber.
    »So, jetzt komm mal mit.« Gösta schleppte ein Wrack von einer Frau in die Küche. Sie brabbelte unverständliches Zeug vor sich hin, konnte nur mit Müh und Not einen Fuß vor den anderen setzen und erreichte gerade eben noch den Küchenstuhl, den Gösta ansteuerte. Dann sackte sie auf dem Stuhl zusammen, legte den Kopf auf die Arme und fing an zu schnarchen.
    »Nicht wieder einschlafen, Hedda. Du musst aufwachen.« Gösta rüttelte vorsichtig an ihrer Schulter. Keine Reaktion. Er deutete auf den Topf, in dem das Wasser mittlerweile kochte. »Kaffee.« Patrik goss schnell die Tasse voll, die am wenigsten verkrustet war. Ihm selbst war der Kaffeedurst vergangen.
    »Hedda, wir müssen mit dir reden.« Statt einer Antwort kam nur ein Murmeln. Dann richtete die Frau sich schwankend auf und versuchte, mit den Augen einen Punkt zu fixieren.
    »Wir sind von der Polizei aus Tanum. Patrik Hedström und Gösta Flygare. Wir sind uns schon mal begegnet.« Gösta sprach überdeutlich, damit wenigstens ein Bruchteil seiner Worte zu ihr durchdrang. Er machte Patrik ein Zeichen, dass er an den Tisch kommen solle. Sie setzten sich Hedda gegenüber. Die Wachsdecke war früher einmal weiß mit einem Muster aus kleinen Rosen gewesen, doch davon war unter all den Essensresten, Krümeln und Fettflecken kaum noch etwas zu erahnen. Genauso wenig konnte man einschätzen, wie Hedda einmal ausgesehen haben

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