Die Totgesagten
lachte. Simon entspannte sich und lachte mit.
»Über diese sogenannte Arbeitskraft mache ich mir keine Illusionen mehr. Ich habe wirklich die totale Niete gezogen, als die Teilnehmer auf die Arbeitsplätze verteilt wurden.«
»Nicht nur die Niete.« Grinsend nippte Mehmet an seinem Kaffee. »Den Hauptgewinn hast du auch gezogen: Mich! Rein rechnerisch hast du also einen mittelmäßigen Mitarbeiter dazubekommen.«
»Stimmt.« Simon lachte. »Dich habe ich ja auch noch!« Er wurde ernst und sah Mehmet lange an. Doch der erwiderte den Blick nicht. Zu viele Fragen und unausgesprochene Worte standen zwischen ihnen, mit denen er sich jetzt nicht beschäftigen wollte. Wenn überhaupt.
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Wie geht es dir?« Simon wendete den Blick nicht von Mehmet ab.
Der Junge spürte ein nervöses Zucken in den Händen. Er versuchte, der Frage auszuweichen. »Ach, ganz okay. Ich kannte sie ja gar nicht so gut. Der ganze Trubel nervt einbisschen. Aber der Sender ist natürlich froh. Die Zuschauerzahlen sind der Hammer.«
»Ich habe eure Visagen abends so satt, dass ich mir noch keine einzige Folge angesehen habe.« Simons Blick war nun nicht mehr so intensiv. Mehmet entspannte sich wieder und biss genüsslich in eine duftende, warme Zimtschnecke.
»Wie war denn das Verhör?« Simon griff sich auch eine Schnecke und nahm einen herzhaften Bissen.
»Nicht so wild«, log Mehmet, denn er wollte nicht mit Simon darüber reden. Es war erniedrigend gewesen, in dem engen Raum zu sitzen. Die Fragen waren auf ihn eingeprasselt und seine Antworten schienen nie zufriedenstellend zu sein. »Die waren ganz nett. Ich glaube nicht, dass sie ernsthaft einen von uns verdächtigen.« Er wich Simons Blick aus. Ein paar Erinnerungsfetzen schossen ihm durch den Kopf, aber er verdrängte sie schnell wieder. Was sie ihm ins Gedächtnis rufen wollten, konnte er einfach nicht akzeptieren.
»Dieser Psychologe, der mit euch redet, ist der gut?« Simon beugte sich vor und nahm noch einen riesigen Bissen von seiner Zimtschnecke, während er auf Mehmets Antwort wartete.
»Lars ist in Ordnung. Es war gut, dass er da war.«
»Und wie kommt Uffe damit klar?« Simon deutete mit einer Kopfbewegung auf die Türöffnung, an der Uffe gerade vorbeiraste, während er Luftgitarre auf einem Baguette spielte. Mehmet musste lachen. »Rat mal. Uffe ist … Na ja, Uffe eben. Aber es könnte schlimmer sein. Nicht mal er traut sich, mit Lars seine Spielchen zu treiben.«
Eine ältere Dame betrat den Laden. Mehmet sah, wie sie angesichts von Uffes wildem Tanz zurückzuckte. »Ich glaube, wir sollten jetzt lieber der Kundin beistehen.«
Simon stand ebenfalls hastig auf. »Ja, sonst kriegt Frau Hjertén noch einen Herzinfarkt.«
Als sie in den Laden gingen, berührten sich ihre Hände. Mehmet zog die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. »Erica,ich muss heute Nachmittag nach Göteborg und komme etwas später nach Hause. Wahrscheinlich so gegen acht.«
Im Hintergrund hörte er Maja juchzen. Plötzlich bekam er akutes Heimweh. Am liebsten hätte er alles stehen-und liegenlassen. Er wollte nach Hause fahren, um mit seiner Tochter zu kuscheln und herumzutoben. Auch Emma und Adrian waren ihm in den vergangenen Monaten ans Herz gewachsen. Er sehnte sich danach, Zeit mit ihnen zu verbringen. Außerdem hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er Erica nicht bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen konnte. Sie hatte wahnsinnig viel zu tun. Aber er hatte keine andere Wahl. Die Ermittlungen steckten gerade in einer äußerst intensiven Phase. Er musste alles tun, was in seiner Macht stand.
Zum Glück reagierte Erica immer so verständnisvoll, dachte er, als er sich ins Auto setzte. Er hatte erst Martin mitnehmen wollen, fand dann aber, dass sie nicht unbedingt zu zweit mit Pedersen sprechen mussten. Martin hatte es sich verdient, ein bisschen früher nach Hause zu seiner Pia zu kommen. Patrik hatte gerade den Gang eingelegt, als das Telefon erneut klingelte.
»Ja, Hedström.« Er rechnete mit einem weiteren neugierigen Reporter. Als er hörte, wer dran war, bereute er seinen mürrischen Tonfall.
»Hallo, Kerstin.« Er schaltete den Motor wieder ab. Nun schlug das schlechte Gewissen, das seit über einer Woche im Hintergrund lauerte, mit voller Kraft zu. Seit dem Mord an Lillemor hatte er Marits Fall eindeutig vernachlässigt. Er hatte es nicht absichtlich getan, aber nach dem Tod des Mädchens war der Druck der Medien enorm gewesen.
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