Die Totgesagten
Hosenbeinen ab und ging ihr entgegen. Sie strahlte, als sie ihn sah, und er musste sich beherrschen, um nicht gleich auf dem Parkplatz über sie herzufallen und sie niederzuknutschen. Die Intensität seiner Gefühle verblüffte ihn, er fühlte sich wie ein Teenager. Sie umarmten sich zur Begrüßung, und er ließ ihr den Vortritt in das Lokal. Seine Hand zitterte, als er sie einen Augenblick auf Rose-Maries Rücken legte.
Im Restaurant wartete eine Überraschung auf sie. Mellberg bekam vor Schreck einen Schluckauf. An einem Fenstertisch saßen Hedström und Molin und glotzten ihn an. Rose-Marie blickte neugierig zwischen ihm und seinen Kollegen hin und her. Widerwillig sah er ein, dass er sie einander vorstellen musste. Martin und Patrik gaben Rose-Mariegrinsend die Hand. Mellberg seufzte. Die Gerüchte würden in Windeseile die Runde machen. Auf der anderen Seite … Er straffte energisch den Rücken. Mit Rose-Marie an seiner Seite brauchte er sich wirklich nicht zu schämen.
»Wollt ihr euch zu uns setzen?« Patrik zeigte auf die beiden freien Stühle am Tisch.
Mellberg wollte das Angebot gerade ablehnen, da hatte Rose-Marie auch schon fröhlich angenommen. Innerlich fluchte er. Er hatte sich darauf gefreut, mit ihr allein zu sein. Ein Mittagessen mit Hedström und Molin entsprach ganz und gar nicht der romantischen Zweisamkeit, die er sich erträumt hatte. Doch da musste er nun durch. Er warf Patrik hinter Rose-Maries Rücken einen verärgerten Blick zu, während er ihr den Stuhl zurechtrückte. Hedström und Molin trauten ihren Augen kaum, das sah man ihnen an. Kein Wunder. Grünschnäbel wie sie wussten vermutlich nicht einmal, wie man »Gentleman« buchstabierte.
»Wie schön, Sie kennenzulernen, Rose-Marie.« Patrik betrachtete sie mit Neugier, und sie sah ihn freundlich an, was ihre Lachfältchen betonte. Mellberg konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Das Glitzern in ihren Augen und der sanfte Schwung ihrer Mundwinkel … Nein, er konnte es nicht in Worte fassen.
»Wo habt ihr euch kennengelernt?« Molins Stimme hatte einen heiteren Unterton. Mellberg runzelte die Stirn. Die beiden glaubten hoffentlich nicht, dass sie hier Scherze auf seine Kosten machen konnten. Und auf Rose-Maries.
»Beim ›Tanz auf der Tenne‹. In Munkedal.« Rose-Marie strahlte. »Bertil und ich waren von Freunden dort hingeschleppt worden und waren beide nicht sonderlich begeis tert. Aber manchmal führt uns das Schicksal auf seltsamen Wegen ans Ziel.« Sie lächelte Mellberg an, der vor Glück rot wurde. Offenbar stand er mit seinen sentimen talenGefühlen nicht alleine da. Auch Rose-Marie hatte schon am ersten Abend gespürt, dass zwischen ihnen eine ganz besondere Verbindung bestand.
Die Kellnerin kam an den Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. »Nehmt, was ihr wollt. Heute lade ich euch ein!«, hörte sich Mellberg zu seinem großen Erstaunen sagen. Einen Moment bereute er es, doch Rose-Maries bewundernder Blick bestärkte ihn in seinem Entschluss. Plötzlich wurde ihm, vielleicht zum ersten Mal im Leben, der wahre Wert des Geldes bewusst. Was waren schon ein paar Hunderter gegen das Leuchten in den Augen einer schönen Frau? Hedström und Molin sahen ihn verblüfft an, und der Ärger stieg in ihm auf. »Beeilt euch lieber! Sonst ziehe ich euch die Rechnung vom Gehalt ab!« Patrik stand noch immer unter Schock. »Die Rotzunge.« Molin, ebenso sprachlos wie sein Kollege, bestellte mit einem stummen Nicken dasselbe.
»Ich nehme das Bauernfrühstück. Und du, meine Schöne, was wünschst du heute zu speisen?« Patrik verschluckte sich beinahe an seinem Wasser. Mellberg warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Wie peinlich, wenn sich erwachsene Männer nicht benehmen konnten. Die jungen Leute heutzutage waren wirklich schlecht erzogen.
»Ich hätte gern das Schweinefilet.« Rose-Marie faltete ihre Serviette auseinander und legte sie sich auf den Schoß.
»Wohnen Sie in Munkedal?«, erkundigte sich Martin höflich und schenkte seiner Tischdame Wasser nach.
»Vorübergehend lebe ich in Dingle.« Sie trank einen Schluck Wasser. »Ich bin vorzeitig in Pension gegangen. Man hatte mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte. Danach wollte ich näher bei meiner Familie sein. Bis ich etwas Eigenes gefunden habe, wohne ich bei meiner Schwester. Ich habe so lange an der Ostküste gewohnt, dass ich mich erst richtig umschauen wollte, bevor ich mich endgültig niederlasse. Meine nächste Wohnung möchte ich nur mit den
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