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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Schuldbewusst hörte er sich an, was Kerstin zu sagen hatte.
    »Wir … wir haben leider noch nicht viel herausbekommen. – Stimmt, in der letzten Zeit war es ein bisschen zu wenig. – Nein, natürlich verlieren wir Marits Fall nicht ausden Augen.« Er verzog das Gesicht, angewidert von sich selbst und seinen Lügen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Nach dem Telefonat blieb er eine Weile nachdenklich sitzen. Dann wählte er eine andere Nummer, wurde verbunden und unterhielt sich fünf Minuten mit einer Person, die sich sehr wunderte über das, was er zu sagen hatte. Dann brach er ein wenig erleichtert nach Göteborg auf.
    Zwei Stunden später erreichte er das rechtsmedizinische Institut. Vorsichtig klopfte er an Pedersens Tür. Meistens kommunizierten sie per Fax oder Telefon, aber diesmal wollte Pedersen ihm seine Ergebnisse persönlich mitteilen. Patrik vermutete, dass die Vorgesetzten angesichts der gewaltigen Medienaufmerksamkeit nichts dem Zufall überlassen wollten.
    »Lange nicht gesehen.« Pedersen stand auf und gab Patrik die Hand.
    »Ja, ist eine ganze Weile her, dass wir uns gesehen haben. Unsere Telefonate sind leider nicht ganz so selten.« Patrik setzte sich auf den Besucherstuhl vor dem riesigen Schreibtisch von Pedersen.
    »Gute Neuigkeiten habe ich eben nicht so oft.«
    »Nein, aber wichtige.«
    Pedersen lächelte. Er war groß und breit, strahlte aber eine Sanftheit aus, die im scharfen Kontrast zu der Brutalität stand, die ihm bei seiner Arbeit begegnete. Seine Brille, die auf der Nasenspitze saß, und die leicht ergrauten Haare, die immer ein wenig zerzaust aussahen, hätten den Eindruck vermitteln können, er wäre zerstreut oder schlampig. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Papiere auf seinem Schreibtisch lagen in ordentlichen Stapeln, die Ordner im Regal waren säuberlich beschriftet. Mit Details hatte es Pedersen. Nun nahm er einen Stoß Papier in die Hand und warf einen prüfenden Blick darauf, bevor er Patrik ansah.
    »Das Mädchen ist zweifellos erwürgt worden, wie an denFrakturen des Zungenbeins und des Schildknorpels zu erkennen ist. Sie hat jedoch keine Strangmarke, sondern nur diese Würgemale an beiden Seiten des Halses.« Er legte ein großes Foto auf den Tisch und zeigte auf die bläulichen Flecke.
    »Das heißt also, jemand hat sie mit den Händen erwürgt.«
    »Genau«, bestätigte Pedersen trocken. Das große Mitgefühl, das er mit den Toten auf seinem Obduktionstisch empfand, spiegelte sich selten in seinem Tonfall wider. »Ein weiterer Hinweis auf Erwürgen sind die Petechien, also die punktförmigen Blutungen in der Augenbindehaut und in der Haut rund ums Auge.«
    »Braucht man viel Kraft, um jemand zu erwürgen?« Patrik konnte den Blick kaum von dem Bild der bleichen, leicht bläulich angelaufenen Leiche abwenden.
    »Mehr, als man denkt. Es dauert ziemlich lange, und man muss ziemlich starken Druck auf den Hals ausüben. Doch in diesem Fall …« Er musste husten und drehte sich etwas zur Seite. »In diesem Fall hat es sich der Täter etwas leichter gemacht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Wir haben Spuren von einem Schlafmittel gefunden. Vermutlich wurde sie im Schlaf erwürgt.«
    »O Gott.« Patrik sah wieder Lillemors Bild an. »Weißt du, wie das Schlafmittel verabreicht wurde? Ich meine, war es mit irgendetwas vermischt?«
    Pedersen schüttelte den Kopf. »In ihrem Magen haben wir einen teuflischen Cocktail gefunden. Ich habe keine Ahnung, was genau sie getrunken hat, aber es roch unverkennbar nach Alkohol. Das Mädchen war mit hoher Wahrscheinlichkeit stark berauscht, als sie starb.«
    »Wir haben gehört, dass sie am Abend vorher kräftig gefeiert hat. Glaubst du, dass das Schlafmittel in einem Getränk war?«
    Pedersenbreitete die Arme aus. »Das kann ich dir nicht sagen. Aber es wäre durchaus möglich.«
    »Okay, man hat ihr also ein Schlafmittel gegeben und sie dann erwürgt. So viel wissen wir. Hast du noch andere Anhaltspunkte gefunden?«
    Pedersen überflog den Bericht. »Ja, es gibt noch mehr Verletzungen. Sie scheint einige Schläge am Körper abbekommen zu haben, und an der einen Wange fand sich ein Bluterguss wie nach einer kräftigen Ohrfeige.«
    »Das passt zu dem, was wir über den Abend wissen«, sagte Patrik finster.
    »Und sie hatte tiefe Schnittwunden an den Handgelenken. Die müssen auch stark geblutet haben.«
    »Schnittwunden?« Die waren Patrik nicht aufgefallen, als er sie im Müllwagen liegen sah.

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