Die Totgesagten
ändern.«
»Wer immer das getan hat, sollte so schnell wie möglich festgenommen werden. So etwas habe ich noch nie gesehen. Man muss wirklich ungeheuer kaltblütig sein, um jemand auf diese Weise umzubringen.«
»Ich weiß.« Patrik musste an Kerstins Stimme denken. Als sie ihn vor einigen Stunden angerufen hatte, klang sie so tot, so hoffnungslos. Er konnte sich nicht verzeihen, dass er diese Ermittlungen so sträflich vernachlässigt hatte.
»Wie gesagt, ab sofort werde ich andere Prioritäten setzen. Ich hoffe, dass ich schon heute einige Antworten auf wichtige Fragen erhalten werde.« Er stand auf, nahm den Papierstoß entgegen, den Pedersen ihm reichte, und verabschiedete sich mit Handschlag.
Nun steuerte er den Ort an, an dem er weitere Antworten zu finden hoffte. Oder zumindest neue Fragen.
»Hast du von Pedersen etwas erfahren, was uns weiterbringt?«
Martin machte sich Notizen, während Patrik kurz und knapp wiedergab, was Pedersen ihm mitgeteilt hatte.
»Das mit den Hundehaaren klingt interessant. Immerhin ein konkreter Anhaltspunkt. – Schnittwunden? Ich weiß, an wen du denkst. – Noch ein Verhör? Ja, sicher. Hanna und ich knöpfen sie uns vor.«
Nach dem Telefonat blieb er eine Weile regungslos sitzen. Dann stand er auf, um Hanna zu holen.
Eine halbe Stunde später saßen sie mit Jonna im Verhörzimmer. Sie hatten nicht weit gehen müssen, denn der Supermarkt Hedemyrs lag schräg gegenüber vom Polizeigebäude.
»So, Jonna. Wir haben uns ja schon einmal über Freitagabend unterhalten. Ist dir in der Zwischenzeit vielleicht noch etwas eingefallen?« Im Augenwinkel sah Martin, wie Hannadas Mädchen fixierte. Sie konnte so streng dreinblicken, dass selbst er am liebsten sofort alle eventuellen Sünden gebeichtet hätte. Hoffentlich hatte sie auf Jonna die gleiche Wirkung. Aber das Mädchen wich Hannas Blick aus, starrte auf die Tischplatte und murmelte bloß eine unhörbare Antwort.
»Was hast du gesagt? Du musst deutlicher sprechen, wir verstehen dich nicht!« Die Schärfe in Hannas Tonfall ließ Jonna aufblicken. Es war unmöglich, sich dieser energischen Polizistin zu widersetzen.
»Ich habe Ihnen doch schon alles gesagt, was ich über den Abend weiß.«
»Das glaube ich nicht.« Hannas Stimme klang so scharf wie die Rasierklingen, mit denen Jonna ihre Arme traktierte. »Du hast uns nicht mal einen Bruchteil dessen erzählt, was du weißt!«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.« Jonna zerrte zwanghaft an ihren Ärmeln herum. Martin erhaschte einen Blick auf die Narben und schauderte. Er verstand einfach nicht, wie man sich freiwillig so weh tun konnte.
»Hör auf zu lügen!« Hanna wurde so laut, dass sogar Martin zusammenschreckte. Donnerwetter, war diese Frau tough!
Dann senkte sie ihre Stimme wieder. »Wir wissen, dass du lügst. Wir haben Beweise dafür. Gib dir selbst eine Chance und erzähle uns ganz genau, was passiert ist.«
Ein Schatten der Unsicherheit huschte über Jonnas Gesicht. Unaufhörlich fummelte sie an ihrem weiten Strickpulli herum. »Ich kapier nicht, was Sie meinen.«
Hanna schlug auf den Tisch. »Hör auf mit dem Scheiß! Wir wissen, dass du ihr in den Arm geschnitten hast.«
Jonna sah Martin hilfesuchend an. Er ergriff in sehr viel ruhigerem Tonfall das Wort: »Wenn du mehr weißt, solltest du es uns sagen. Früher oder später kommt die Wahrheit sowieso heraus, und für dich ist es viel besser, wenn du uns die Sache aus deiner Sicht erzählst.«
»Aberich …« Ängstlich sah sie Martin an, doch dann sackte sie in sich zusammen. »Ja, ich habe sie mit einer Rasierklinge geschnitten«, gab sie leise zu. »Als wir uns gestritten haben, bevor sie weglief.«
»Warum hast du das gemacht?« Martin blieb ruhig, um sie zum Weiterreden zu ermuntern.
»Ich … ich … weiß es eigentlich nicht. Ich war einfach so wütend. Sie hat so viel Mist über mich erzählt, über das Schlitzen und so, und sie sollte mal merken, wie sich das anfühlt.«
Ihr Blick schweifte zwischen Martin und Hanna hin und her.
»Ich weiß selbst nicht, warum ich … Ich meine, normalerweise werde ich nie so sauer, aber ich hatte einiges getrunken und …« Sie verstummte und blickte auf die Tischplatte.
Ihre ganze Gestalt wirkte so zusammengesunken und traurig, dass Martin sich beherrschen musste, sie nicht sofort in den Arm zu nehmen. Doch dann rief er sich ins Gedächtnis, dass sie in einem Mordfall ermittelten und die spontane Umarmung einer Verdächtigen vermutlich nicht
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