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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Patrik nahm einen Gegenstand aus dem Rucksack. Es war ein Walkman. Allerdings fürchtete Patrik, dass die Bezeichnung »Walkman« mehr über sein Alter und sein mangelndes Interesse an Technik aussagte, als ihm lieb war. Er wusste, dass die Dinger nicht mehr so hießen, aber er hatte keine Ahnung, wie er sie sonst nennen sollte. Es handelte sich jedenfalls um eine kleine Musikmaschine mit Kopfhörern. Allerdings bezweifelte er, dass sie noch funktionierte. Offenbar hatte sie beim Sturz von der Brücke einen ordentlichen Schlag abbekommen. Als Patrik sie aufhob, hörte er ein besorgniserregendes Scheppern.
    »Wie hoch war die Brücke?« Martin zog sich einen Stuhl heran.
    »Zehn Meter.« Konzentriert packte Patrik den Rucksack aus.
    »O Gott.« Martin verzog das Gesicht. »Das war sicher kein schöner Anblick.«
    »Nein.« Die Fotos von der Leiche schossen Patrik durch den Kopf, und er wechselte schnell das Thema. »Ich mache mir ein wenig Sorgen, weil wir zwei Ermittlungen parallel durchführen müssen.«
    »Das kann ich verstehen«, nickte Martin. »Ich weiß, was du denkst. Es war ein Fehler, sich von den Medien so unter Druck setzen zu lassen, dass Marits Fall darüber vernachlässigt wurde. Aber so ist es nun einmal gelaufen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als unsere Kräfte von nun an klüger einzuteilen.«
    »Du hast recht.« Patrik legte ein Portemonnaie auf den Schreibtisch. »Aber ich kann einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken, was wir besser anders gemacht hätten. Außerdem weiß ich nicht, wie wir im Fall Lillemor Persson weiter vorgehen sollen.«
    Martin überlegte eine Weile. »So wie ich das sehe, müs senwir uns momentan an die Hundehaare und das Video von der Produktionsfirma halten.«
    Patrik öffnete das Portemonnaie. »Das denke ich auch. Die Hundehaare sind eine hochinteressante Spur. Laut Pedersen handelt es sich um eine äußerst seltene Rasse. Vielleicht gibt es ja ein Register, eine Liste der Besitzer, einen Verein oder irgendeine andere Möglichkeit, den Halter des Hundes zu ermitteln. Ich meine, bei zweihundert Galgos in ganz Schweden müsste der Besitzer doch relativ leicht zu identifizieren sein.«
    »Klingt vernünftig. Soll ich mich darum kümmern?«
    »Nein, ich dachte, diese Aufgabe sollte lieber Mellberg übernehmen. Der arbeitet wenigstens gründlich.« Martin sah ihn verdutzt an, aber im nächsten Moment prustete Patrik auch schon los. »Natürlich will ich, dass du das machst.«
    »Haha, wahnsinnig komisch.« Dann wurde Martin ernst und beugte sich über den Schreibtisch.
    »Was hast du da?«
    »Nichts Aufregendes. Zwei Zwanziger, eine Zehnkronenmünze, einen Personalausweis und einen Zettel mit seiner Adresse und den Telefonnummern seiner Mutter, Festnetz und Handynummer.«
    »Sonst nichts?«
    »Nein. Oder doch …« Patrik lächelte. »Ein Foto von ihm und Eva.« Er zeigte es Martin. Ein junger Rasmus hatte seiner Mutter den Arm um die Schultern gelegt, beide strahlten in die Kamera. Rasmus war zwei Köpfe größer als sie, und seine Geste hatte etwas Fürsorgliches. Das Foto musste aus der Zeit vor dem Unfall stammen. Danach hatten sie die Rollen getauscht, und Eva hatte ihn beschützt. Patrik legte das Bild vorsichtig zurück ins Portemonnaie.
    »Es gibt so viele einsame Menschen.« Martin starrte ins Leere.
    »Ja, jede Menge. Denkst du gerade an jemand Bestimmtes?«
    »Naja, … ich denke an Eva Olsson. Aber auch an Lillemor. Es gibt keinen, der um sie trauert. Beide Eltern tot. Keine Verwandten. Niemand. Sie hinterlässt nichts als Fernsehaufnahmen. Stapelweise Videobänder, die in irgendeinem Archiv verstauben werden.«
    »Wenn sie nicht so weit weg gewohnt hätte, wäre ich zu ihrem Begräbnis gegangen«, sagte Patrik leise. »Kein Mensch hat es verdient, so einsam beerdigt zu werden. Aber ich konnte nicht bis nach Eskilstuna fahren.«
    Sie schwiegen eine Weile. Im Geiste sahen sie einen Sarg vor sich, der einsam in der Erde versenkt wurde, ohne eine trauernde Familie, ohne Freunde am Grab. Es war so unendlich traurig.
    »Ein Notizbuch!« Patriks Ausruf brach das Schweigen. Er hatte ein ziemlich dickes, schwarzes Buch mit Goldschnitt gefunden. Man sah, dass Rasmus es pfleglich behandelt hatte.
    »Was steht da drin?« Martin wurde neugierig.
    Patrik blätterte in den vollgeschriebenen Seiten. »Ich glaube, es sind Gedächtnisstützen für seine Arbeit mit den Tieren. Sieh mal: ›Hercules, dreimal am Tag Futterpellets, häufig frisches Wasser nachfüllen, jeden

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