Die Traene des Drachen
nicht mehr damit! Komm, lass uns zu den anderen nach draußen gehen und etwas essen“, forderte er die junge Frau auf. Doch Elea ließ nicht locker. „Wenn er etwas aus der Vergangenheit gezeigt hat, dann müsstest du doch eigentlich wissen, was er bedeutet. Jetzt sag schon! Ich will es wissen, und zwar sofort!“ Elea wurde immer ungehaltener und fixierte Maél mit einem durchdringenden, Tränen verhangenen Blick. Der Mann ließ sich resigniert auf dem Boden nieder. Er wusste genau, sie würde nicht eher Ruhe geben, bis er mit der Sprache herausgerückt wäre. Er rieb sich angespannt die Nasenwurzel und blickte ihr dann traurig in ihre geröteten Augen. „Du hast gesehen, wie Darrach einen Zauberbann über mich gesprochen hat. Möglicherweise ein Zauber, der speziell dich betrifft. Vielleicht verstehst du jetzt, warum es so wichtig ist, dass du fliehst, sobald wir den Drachen gefunden haben, und zwar auch vor mir. Ich stelle eine Gefahr für dich dar. Wenn Darrach herausbekommt, dass ich ihn betrogen habe – und das wird er, davon bin ich überzeugt -, dann kann er jederzeit einen neuen Bann über mich legen, wenn er mich zu fassen kriegt. Deshalb müssen wir auch schnell vorankommen, damit unser Vorsprung vor ihm möglichst groß wird.“
Eleas Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, sich jeden Moment auf Maéls Schlaffell übergeben zu müssen, so groß war der Würgereiz, der unaufhaltsam von ihrem Magen nach oben kroch. „Was siehst du mich so entsetzt an? Du hörst dies nicht zum ersten Mal.“ Elea schlug sich die Hände vor das Gesicht und schluchzte verzweifelt: „Ich habe diesen Gedanken immer verdrängt, weil ich dachte, ich würde stark genug werden, um dich von Darrachs Bann zu befreien.“
„ Unsere Liebe hat es vielleicht tatsächlich geschafft, den derzeitigen Bann, den er über mich gelegt hat, zu schwächen, aber...“ Elea nahm schlagartig ihre Hände wieder vom Gesicht und fragte neugierig: „Was willst du damit sagen?“ Maél erzählte ihr von seiner neuesten Entdeckung bezüglich der Kraft ihrer Liebe. „Dennoch ist es unausweichlich, dass du mit dem Drachen in eine entlegene Ecke des Königreiches fliehen musst. Elea, ich habe die Hoffnung, dass er dir dabei helfen kann, deine Gabe besser zu kontrollieren oder sogar noch mächtiger zu machen. Denn durch das Band, das zwischen euch geknüpft wird, werdet ihr auf eine besondere und enge Art und Weise miteinander verbunden sein.“ Maél näherte sich ihr auf den Knien rutschend. Er legte seine Hände auf ihre Schultern. „Was ich dir jetzt sage, das wird dir nicht gefallen. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Du musst dich jetzt allmählich an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Wege sich trennen werden, sobald wir den Drachen gefunden haben. Es muss jedoch nicht für immer sein. Wenn du in der Lage bist, Darrach die Stirn zu bieten, dann kannst du zurückkehren, aber erst dann. Der Drache wird wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist.“ Elea sah Maél wie versteinert ins Gesicht. Sie konnte gar nicht glauben, was sie da gehört hatte. In ihrem Kopf hallten immer und immer wieder die Worte „es muss jedoch nicht für immer sein“ wider. Sie war so geschockt, dass sogar ihr Tränenstrom urplötzlich versiegte. Auch nur die geringste Unsicherheit darüber, dass sie Maél jemals wieder sehen sollte, kam einem Todesstoß in ihrem Herzen gleich. Und an das, was er in Zukunft – wenn sie mit ihrem Drachen über alle Berge wäre - unter Darrach zu erleiden hätte, wollte sie erst gar nicht denken.
Maél konnte es nicht länger ertragen, Eleas leeren und resignierten Blick auf sich ruhen zu sehen. Diese offenen Worte von ihm kamen viel früher, als er ursprünglich vorhatte. Mit sanfter Stimme sagte er zu ihr: „Elea, ich werde dich jetzt allein lassen. Wenn du wieder zu deiner Fassung gefunden hast, dann komme zu uns nach draußen! Ja? Du musst etwas essen und wenn wir wissen, wie wir weiter vorgehen, dann werden wir unverzüglich aufbrechen.“
Elea schloss die Augen und versuchte, die anhaltende Übelkeit und das überwältigende Gefühl von Hoffnungslosigkeit unter Kontrolle zu bringen, indem sie sich auf eine langsame und tiefe Atmung konzentrierte. Ihre Lage konnte nicht auswegloser sein. Einerseits wollte sie nie wieder Darrach begegnen, zumindest solange nicht, bis sie stark genug war, um ihn zu bezwingen. Deshalb musste sie auch schnellstmöglich den Drachen finden. Dies würde aber zwangsläufig ihre
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