Die Traene des Drachen
Empfindungen, die sie möglicherweise überwältigen werden – vielleicht in Form von dieser unglaublichen, magischen Energie, an der sie dich mit aller Wahrscheinlichkeit nach teilhaben lassen wird. Es wird mit Sicherheit ein einzigartiges und außergewöhnliches Erlebnis für euch beide werden.“ Maél war im ersten Moment sprachlos über Finlays offene Worte, aus denen er auch unverhohlenen Neid heraushören konnte. Mit belegter und etwas ungehaltener Stimme antwortete er: „Das wird es sicherlich nicht, da es nie so weit kommen wird. Nimm jetzt das Fell und verschwinde!“ Finlay sah ihn verständnislos an. „Was willst du damit sagen? Ihr liebt euch doch! Du wirst sie doch nicht etwa, nachdem sie den Drachen gefunden hat und dieses Band zwischen beiden geknüpft ist, unverzüglich wegschicken, ohne dass ihr euch wenigstens einmal geliebt haben werdet?! Das ist nicht dein Ernst!“ Finlays Bestürzung war unüberhörbar. „Doch das ist es!“
„ Aber warum? Ich würde alles dafür tun, dass ich an deiner Stelle wäre. Und du...“
„ Finlay, du weißt gar nicht, was du da redest. Du kannst froh sein, dass du nicht an meiner Stelle bist. Es darf nicht sein. Ich habe es dir am ersten Abend, als du zu uns gestoßen bist, angedeutet. Erinnere dich daran, was ich dir damals gesagt habe. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen. Du musst selbst draufkommen. Geh jetzt! Bitte!“ Maél flehte Finlay förmlich mit bebender Stimme an, was diesen letztendlich dazu bewog, völlig entgeistert das Zelt zu verlassen.
Maéls Herz fühlte sich an, als wäre es in einem Schraubstock eingespannt. Finlay hatte es geschafft, ihm das traurige und bittere Ende ihrer Liebe, die sie nie in ihrer Vollkommenheit auskosten durften, vor Augen zu führen. Seit jenem frühen Morgen, als Darrach ihm die wahre Bedeutung von Eleas Unberührtheit enthüllt hatte, verdrängte er diese grauenhafte Vorstellung. Und die Tatsache, dass er sie deswegen hatte anlügen müssen und sein Versprechen ihr gegenüber in absehbarer Zeit brechen würde, nur um ihr dadurch ein Versprechen abgerungen zu haben, bereitete ihm Seelenqualen. Mit wild hämmerndem Herzen betrachtete er Eleas Gesicht im rötlichen Schimmer ihres Haares und streichelte es zart mit seinem Daumen. Jede einzelne Stelle ihres Gesichtes sollte sich in sein Gehirn einbrennen, auf dass er es niemals vergessen würde.
Kapitel 5
In dem Moment, als Elea erwachte, hatte sie sofort das letzte Bild des nächtlichen Kampfes vor Augen, bevor sie das Bewusstsein verlor: Finlay am Boden und mit bloßen Händen einen riesigen Wolf abwehrend. Panisch schoss sie mit einem lauten Schrei in die Höhe: „Finlay!“ Sofort wurde sie von zwei Armen besitzergreifend wieder hinuntergezogen. Sie drehte ihren Kopf etwas zur Seite und erkannte Maél, der sie auf der Seite liegend anblickte. „Hab keine Angst! Es ist alles vorbei. Du hast die Wölfe vertrieben.“ Elea presste sich an seine Brust und atmete erleichtert durch. „Sind alle am Leben, auch die Pferde und Shona?“, fragte sie ängstlich. „Drei Pferde haben es nicht geschafft. Aber Shona geht es gut. Von uns haben es alle überlebt, einige jedoch mit schlimmen Bissverletzungen, vor allem Finlays Hände sehen übel aus.“
„ Und was ist mit dir? Bist du verletzt?“ Elea zog das Schlaffell von Maél und begann aufgeregt seinen Körper abzutasten, bis er ihre Hände behutsam festhielt und sie beruhigte: „Mir geht es gut. Meine linke Hand hat nur ein paar harmlose Bisswunden und der halb verheilte Bruch der rechten Hand ist wahrscheinlich wieder aufgebrochen. Das ist alles. – Allerdings dachte ich im ersten Moment, dass dich der Wolf, auf den du dich gestürzt hattest, erwischt hat. Elea, das war sehr gefährlich, was du getan hast, aber auch sehr mutig. Du hast uns allen damit wahrscheinlich das Leben gerettet. Mir jetzt schon zum vierten Mal.“
Er richtete sich auf und nahm sie in seine Arme. Als er spürte, dass Eleas Herz wieder gewohnt langsam schlug, löste er sich etwas von ihr. „Elea, ich würde jetzt viel lieber mit dir hier liegen und deinen Körper an meinem spüren, aber wir haben keine Zeit. Du musst die Wunden versorgen und dann müssen wir schnellstmöglich von hier verschwinden. In Ordnung?“ Elea nickte verständnisvoll und drückte ihre Lippen zärtlich auf seine. Während er sie mit spürbarem Widerwillen los ließ, fuhr er mit heiserer Stimme fort. „Ich helfe jetzt den anderen beim Abbauen des Lagers.
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