Die Traene des Drachen
sofort und entfernte sich mit schüttelndem Kopf. Maél machte allerdings noch keine Anstalten, die beiden allein zu lassen. Er starrte immer noch grimmig auf die junge Frau. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass Darrach bereits seine Verfolgung aufgenommen hatte. „Maél, bitte! Es geht immerhin um Finlays Hände. Er braucht sie. Du selbst hast mir gesagt, dass ich sie versorgen muss. Wenn ich tatsächlich zu lange brauche, dann müssen die anderen eben bis heute Abend warten. Wenn ich nicht da wäre, dann müssten sie ohnehin ohne mich auskommen und das sind sie bisher wohl auch, oder etwa nicht?“ Endlich reagierte er mit einem angedeuteten Nicken und verschwand in Richtung der Pferde.
Elea arbeitete konzentriert und schnell. Sie hielt auch nicht inne, wenn Finlay vor Schmerz aufstöhnte oder zusammenzuckte. Erst als sie die rechte Hand nochmals mit Arnika-Tinktur eingepinselt und den Verband angelegt hatte, sah sie Finlay ins Gesicht, der sie mit Schweißtropfen auf der Stirn aufmunternd anblickte. „Jadora hat Recht, Elea. So gut, wie du meine rechte Hand versorgt hast, wird sie bestimmt wieder wie neu sein. Er soll mir den Finger abscheiden. Ihn zu versorgen würde ewig dauern und dann haben wir nicht einmal die Gewissheit, dass er richtig anwächst. Womöglich vergiftet er mich tatsächlich.“ Elea ergriff ihr Kopftuch vom Boden und begann Finlays Schweiß von der Stirn zu wischen, während seine Augen verzweifelt ihren smaragdgrünen Blick suchten. Sie ließ sich davon jedoch nicht beirren. Sie hatte schon wieder die Branntweinflasche in der Hand und reinigte nun die linke Hand. Finlay blickte zu Maél hinüber, der bei Arok saß und auf irgendetwas herumkaute, während er jede ihrer Bewegungen im Auge behielt. Finlays Blick blieb wieder auf Eleas angespanntem Gesicht haften. Dabei fiel ihm auf, dass auch sie offenbar trotz der Eiseskälte schwitzte. Kleine Schweißperlen hatten sich auch auf ihrer Stirn gebildet. Er schüttelte mit dem Kopf und zauberte trotz des Brennens, das durch den Branntwein ausgelöst von seinen Händen in seinen gesamten Körper ausstrahlte, ein Lächeln auf seine Lippen. Elea bemerkte es und sah ihn verdutzt an. „Was ist so lustig, Finlay, dass du trotz dieser Katastrophe lächeln kannst?“, fragte sie den Tränen nahe. „Ich wundere mich nur darüber, dass du bei einer so ruhigen Tätigkeit, die du gerade verrichtest, schwitzt, während du beim Rennen nicht einmal vor Angstrengung rot anläufst, geschweige denn einen Schweißtropfen von dir gibst“, antwortete er in belustigtem Ton. „Ja. Sehr witzig. Ich zermartere mir den Kopf, wie ich deinen Finger retten kann und du wunderst dich über meinen Schweiß!“ Es trat ein erneutes Schweigen ein. Elea warf einen kurzen Blick zu Maél hinüber, der sie mit einer steilen Falte auf der Stirn grimmig anstarrte. „Ja. Ja. Ja. Jetzt fehlt nur noch das Knurren und schon haben wir wieder einen Wolf unter uns.“
Nach einer Weile hatte Elea die Fleischwunden genäht, sodass nur noch der fast durchtrennte Zeigefinger und die beiden durchtrennten Sehnen übrig geblieben waren. Elea seufzte schwer und sah in Finlays haselnussbraune Augen, die sie immer noch ermutigend fixierten. „Finlay, den kleinen Finger und den Ringfinger wirst du nie wieder richtig bewegen können. Ich kann die Sehnen nicht zusammennähen. Was aber noch viel schlimmer ist... ich fürchte, wir müssen den Zeigefinger wirklich abtrennen. Deine Hände sind eiskalt und durch die weiterhin anhaltende Kälte werden sie sich auch nur schwer aufwärmen, erst recht der so gut wie abgetrennte Finger. Aber das ist wichtig, damit er wieder anwächst. Verstehst du? Breanna hat mich ausführlich darüber aufgeklärt.“ Eleas Stimme war immer weinerlicher geworden, während sie ihre Entscheidung rechtfertigte. Finlay legte die bereits verbundene Hand auf ihre Schulter und sagte in beruhigendem Ton. „Elea, ich vertraue dir. Wenn du sagst, er muss ab, dann ist es eben so. Es ist nur ein Finger. Ich habe ja immer noch vier an der Hand, auch wenn zwei davon wahrscheinlich unbrauchbar sind. Ich rufe Jadora, damit er ihn abschneidet.“
„ Nein!“, fuhr Elea ihn an. „Das brauchst du nicht. Ich werde es tun. Ich habe die Versorgung deiner Wunden begonnen, dann werde ich sie auch zu Ende bringen.“
„ Aber das will ich dir nicht zumuten“, entgegnete Finlay bestürzt. Plötzlich stand Maél wieder neben den beiden. Er hatte natürlich jedes Wort mitangehört. „Er hat
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