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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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ich.«
    »Danke, mein Junge. Hab einen schönen Abend.« Nachdenklich ging Melisande weiter.
    Irma sah sie an. »Kamen dir die Kerle auch so merkwürdig vor? Nun ja, unsereins versteht ja nichts von diesen vornehmen Leuten. Wer weiß, vielleicht reiten sie ja gerade in eine Schlacht.«
    Melisande gelang es, ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. »Ja, vielleicht. Wie gut, dass wir damit nichts zu schaffen haben.«
    Sie gingen an der Brotlaube vorbei, die für heute geschlossen hatte, und kurz darauf erreichten sie das Haus der Fügers.
    »Danke fürs Tragen, Irma.«
    »Keine Ursache. Ruh dich gut aus, und lass dich von Wendel verwöhnen.«
    »Mach ich, versprochen.« Melisande umarmte ihre Freundin und sah ihr hinterher, bis sie in der Gasse beim Rathaus verschwunden war. Erleichtert stieß sie Luft aus. Sie war noch einmal davongekommen, aber es war knapp gewesen. Von Säckingen war ihr auf der Spur. Doch wie sollte sie ihren Häschern entkommen, ohne alles zurückzulassen, was ihr etwas bedeutete?
***
    Eberhart von Säckingen parierte Excelsior in den Schritt durch. Der Wallach schnaubte und prustete, weißer Schaum bedeckte seine Flanken, aber er war noch lange nicht am Ende seiner Kräfte. Sie waren gestern Abend geritten, bis es völlig dunkel gewesen war, hatten dann auf einer Waldlichtung ein Lager aufgeschlagen und waren beim ersten Licht des Tages wieder aufgebrochen. Leider hatte er auch die vier Männer, die die Familie Füger überwachen sollten, mitnehmen müssen. Verärgert zog von Säckingen die Augenbrauen hoch. So kurz vor dem Ziel, und wieder zurückgeworfen!
    Vor ihnen lag der steile Aufstieg zur Adlerburg. Sie sah friedlich und still aus, zumindest aus der Entfernung. Doch von Säckingen ahnte, dass ihn im Inneren ein Orkan empfangen würde. Wenn Othilia ihn suchen ließ und zurück auf die Burg beorderte, verhieß das nichts Gutes. Er straffte die Schultern und lenkte sein Pferd auf den mühsamen Aufstieg zu.
    Eine Stunde später sprang von Säckingen im Burghof aus dem Sattel. Er übergab das Pferd seinem Knappen und lief unverzüglich hinüber zum Palas. Othilia erwartete ihn bereits im Rittersaal. Sie saß auf dem Grafenstuhl; eine Hand ruhte auf der Lehne, verdeckte etwas, das von Säckingen nicht erkennen konnte, die andere hielt eine Reitpeitsche. Vor ihr lag eine kleine Glocke. Ansonsten war der Saal leer, keine Hofdamen, keine Pagen. Das bestätigte von Säckingens Befürchtungen, dass es schlechte Nachrichten gab, zumal Othilias Gesichtsausdruck ihn an eine Wölfin erinnerte, die kurz davor stand, ihre Beute anzufallen. Er trat vor, neigte das Haupt und beugte das Knie.
    »Steht auf, von Säckingen, und schaut mir in die Augen!«
    Langsam erhob er sich.
    Mit einer schnellen Bewegung schleuderte sie ihm etwas entgegen. Er wich aus, griff in die Luft und hielt ein silbernes Kruzifix in der Hand.
    »Was wolltet Ihr in Rottweil? Habt Ihr nicht gesagt, Ihr hättet Geschäfte in Wendlingen zu erledigen? Warum habt Ihr gegen meine Befehle gehandelt? Wer gibt Euch das Recht, den Herrn zu spielen?« Ihre Stimme klang ruhig, aber bedrohlich.
    Sollte er antworten? Oder war das nur der Anfang einer Strafpredigt? Er atmete ein, setzte zu einer Erklärung an, doch schon schimpfte Othilia weiter: »Schweigt! Ich will nichts hören, aus Eurem Munde kommen doch nur Lügen! Nichts als Lügen!« Ihre Wangen glühten, mit der Gerte schlug sie auf die Lehne, dass es knallte.
    Von Säckingen schwieg. Widerspruch hätte die Gräfin jetzt nur noch mehr gereizt.
    »In meiner schwärzesten Stunde wart Ihr nicht an meiner Seite. Hinter welchem verfluchten Weiberrock seid Ihr hergerannt?«
    Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sie hatte ihn verfolgen lassen, das hatte er schnell bemerkt; den Mann hatte er innerhalb eines halben Tages abgehängt. Aber wie viel wusste sie? Was sollte dieses Kruzifix? Und was meinte sie mit ihrer ›schwärzesten Stunde‹?
    »Herrin, ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt …«
    Sie erhob sich, trat auf ihn zu und hieb ihm die Gerte auf den linken Arm. Er spürte den Schlag kaum, sie wollte ihn offenbar nicht verletzen, sondern demütigen, ihm seinen Platz zuweisen: Er war der Diener und sie die Herrin. Natürlich. Wie könnte er das vergessen! Von Säckingen verzog keine Miene. Auch wenn er ihr Bett teilte, machte er sich keine falschen Vorstellungen davon, wo er stand. Zumindest solange de Bruce lebte. Er erschrak. War es das? Hatte sie Nachricht von de Bruce

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