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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Gewichtsverlust, zogen ihn damit auf, dass er seine ehelichen Pflichten zu ernst nehme, seine Gesundheit seiner Manneskraft opfere. Ihn schauderte. Dorothea war schon lange nicht mehr nach seinem Geschmack, er zog feinere, frischere Kost vor. Wieder wogte Erregung durch seinen Körper.
    Sempach trat vor die Tür. Eiligen Schrittes ging er durch die Bindergasse. An ihrem Ende, direkt vor dem Oberen Tor, lag das Frauenhaus. Der Ort war gut gewählt, denn durch diese Straße kamen alle Reisenden, die Esslingen durchquerten. Doch nicht jeder Besucher erhielt Einblick in die Geheimnisse dieses Hauses, einige besondere Dienstleistungen wurden nur Eingeweihten zuteil. Eine von ihnen bot Sempach gemeinsam mit Ekarius an, dem neuen Esslinger Henker.
    Ursprünglich hatte Sempach geplant, das Geschäft mit Melchior aufzuziehen, den er nach wie vor für diese delikate Aufgabe für geeigneter hielt. Aber der hatte sich just in dem Moment verdrückt, als seine Pläne konkrete Formen angenommen hatten. Also war ihm nichts anderes übrig geblieben, als Ekarius mit ins Boot zu holen. Der Henker war zugleich Verwalter des Frauenhauses, was bedeutete, dass dort nichts geschah, wovon er nicht erfuhr. Glücklicherweise war Ekarius seinem Vorschlag gegenüber sofort sehr aufgeschlossen gewesen. Er hatte sogar eigene Ideen beigesteuert, etwa die, nicht nur Mädchen, sondern auch Knaben für ganz ausgefallene Geschmäcker herbeizuschaffen. Ein nicht ganz uneigennütziger Vorschlag, wie Sempach schon bald festgestellt hatte. Er rümpfte die Nase. Ihn selbst widerte die Vorstellung an, mit einem Knaben das Bett zu teilen – was für eine gottlose Perversion! Doch das Geschäft machte er nur zu gern. Er hatte ohnehin wenig Arbeit damit: Es war Ekarius, der, wann immer es möglich war, die blutjunge Ware beschaffte, mit der sich die reichen Kunden später vergnügen konnten. Wenn die Mädchen Glück hatten, blieben sie danach im Frauenhaus, wenn nicht, sorgte der Henker dafür, dass seine Knechte ihre Überreste unauffällig auf dem Totenacker vor dem Schelztor begruben.
    Sempach nickte Ekarius’ Stellvertreterin Applonia zu, die an der Pforte zum Frauenhaus stand, und drängte sich an ihr vorbei ins Innere. Ohne sich um die anderen Gäste zu scheren, stürmte er die Treppe hoch.
    Applonia kam hinter ihm her. »Sempach, Herr! Wohin wollt Ihr? Sucht Ihr etwas Bestimmtes?«
    »Was für eine Frage!« Sempach drehte sich um. »Das Frischfleisch natürlich. Das Mädchen.«
    Sie verneigte sich tief. »Ich bin untröstlich, Herr, das Kind ist nicht hier.«
    »Du machst schlechte Scherze, Metze! Schaff mir das Balg heran, oder ich lasse dich die Kunst deines Brotherrn schmecken.«
    Applonia schwieg, verbeugte sich noch tiefer. Sempach hatte sie ebenfalls in die Geschäfte eingeweiht, denn es wäre nicht möglich gewesen, sie hinter ihrem Rücken zu betreiben.
    »Herr!« Auf dem Treppenabsatz erschien Ekarius. »Kommt mit. Ich muss mit Euch sprechen.«
    Sempach bebte vor Zorn, doch er folgte dem Henker ohne ein weiteres Wort über die enge Stiege in das Dachgeschoss. Hier oben stapelten sich alte Truhen, Spinnweben ließen es so aussehen, als ob der Raum selten betreten wurde. Doch der Eindruck täuschte. Ekarius schob schnaufend eine der Truhen beiseite und legte eine kleine Tür frei. Er stieß sie auf und trat ein. Seine ungeheure Leibesfülle passte gerade eben durch die schmale Öffnung.
    Sempach folgte ihm. Allein der Anblick der engen Kammer, die der Henker nach seinen Anweisungen eingerichtet hatte, ließ ihn vor Wonne schaudern. Neben dem breiten, mit einem roten Samttuch verhängten Bett war der Raum mit allerlei Gerätschaften ausgestattet, die die Leidenschaft zusätzlich entfachen sollten. So manche davon hätten auch im Thronsaal, dem Folterkeller im Schelkopfstor, gute Verwendung gefunden – etwa die lange, mit Nägeln gespickte Peitsche oder die eisernen Ketten, mit denen man die Mädchen fesseln konnte. Etwas aber fehlte heute.
    Sempach sah sich um. »Und? Wo ist sie?«
    Ekarius hob entschuldigend die Hände. »Mein Herr, ich bitte Euch vielmals um Entschuldigung, das Mädchen ist auf dem Weg hierher gestorben. Einfach so. Sie begann zu zittern, Schaum troff aus ihrem Mund, und dann war sie tot.«
    »Verdammt nochmal! Was hast du mit der Kleinen angestellt? Hast du sie angefasst?«
    Ekarius verneigte sich tief. »Herr, nein, um Gottes willen! Das würde ich niemals wagen.«
    »Dann zieh los, und besorg eine andere! Ich gebe dir drei

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