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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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meines Feindes.«
    Von Säckingen verzog das Gesicht.
    Othilia trat ans Fenster, wo das Licht besser war, und drehte sich aufreizend hin und her, ohne von Säckingen aus den Augen zu lassen. Er stutzte, dann wurde er blass. Sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt. »Ich hatte Euch gewarnt, von Säckingen. Die Rache einer Frau ist nicht notwendigerweise blutig.«
    Er trat näher, ohne seine Augen von dem blauen Stoff zu lösen. Er hatte das Kleid erkannt, dessen war Othilia sich gewiss.
    »Woher habt Ihr das?«, flüsterte er heiser.
    »Steht es mir nicht ausgezeichnet?« Sie strich über den Stoff. »Ein wenig schlicht für eine Gräfin und völlig verschmutzt, das gebe ich zu. Und doch ist es so einzigartig, dass es meiner würdig ist.«
    Von Säckingen trat so dicht vor sie, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. »Woher habt Ihr das?«, wiederholte er. Seine Stimme klang jetzt drohend.
    Othilia blinzelte irritiert. Sie hatte eine Reaktion erwartet, aber eine so heftige? »Ich habe einen Auftrag für Euch«, säuselte sie. »Ihr werdet dieses Gewand nach Rottweil bringen. Zu seiner rechtmäßigen Besitzerin. Das möchtet Ihr doch gerne, nicht wahr?«
    Von Säckingen wandte sich ab und begann, sich mit schnellen, abrupten Bewegungen anzuziehen.
    »Na, na«, spöttelte Othilia. »Ihr könnt es wohl gar nicht abwarten! Ist der Schoß dieser Metze wirklich so heiß?« Wut überkam sie. Sie packte den Ritter an der Schulter und zwang ihn, sie anzusehen. »Ihr werdet dieses Kleid seiner Besitzerin zurückgeben«, zischte sie. »Aber sie darf Euch dabei nicht sehen, Ihr dürft nicht mit ihr sprechen. Keinesfalls, verstanden? Verkleidet Euch. Niemand darf wissen, wer Ihr seid. Legt das Kleid in ihr Schlafgemach, gut sichtbar. Und dann kommt Ihr wieder hierher, denn ich habe weitere Aufträge für Euch.« Sie bohrte ihre Fingernägel in seine nackte Haut. »Und vergesst nicht, dass ich Eure Herrin bin. Ihr habt meinen Befehlen unbedingt Folge zu leisten.« Sie ließ ihre Hand sinken.
    »Sehr wohl, Herrin.« Er hatte nicht einmal gezuckt, obwohl ihre Nägel blutige Linien über seinen Rücken gezogen hatten.
    »Und wenn Ihr zurückkehrt, werde ich Euch erzählen, wie dieses Gewand den Weg zu mir gefunden hat. Vielleicht verrate ich Euch dann sogar, was ich dort noch an Schätzen gefunden habe. Diese angebliche Melissa Füger ist nicht nur in Wahrheit Melisande Wilhelmis und Mechthild, die falsche Magd, mein Lieber. Nein, sie hat ein noch viel dunkleres Geheimnis!«
***
    »Michel!« Melisande wartete einen Moment, dann rief sie erneut: »Michel! Wo steckst du denn? Meine Schwiegermutter kann jeden Moment eintreffen, und das Stroh in ihrer Stube ist noch nicht eingestreut!« Sie lauschte, endlich hörte sie platschende Füße, das Knarren der Treppe, übertönt von Michels Stimme.
    »Verzeiht, Herrin, ich bin schon da. Ich musste die Sau einfangen, die ist der Berbelin schon wieder ausgebüchst.«
    »Los, los, beeil dich! Warum hat Berbelin sie denn nicht selbst eingefangen?« Melisande verdrehte die Augen. »Und warum ist ihr das Tier schon wieder abgehauen?«
    Keuchend betrat Michel die Kammer. Unter beide Arme hatte er frische Strohgarben geklemmt. »Das weiß ich doch auch nicht«, antwortete er atemlos. »Berbelin sagt, sie hat besonders gut aufgepasst diesmal, sie hat sich nur einen winzigen Augenblick weggedreht und schon war die Sau fort.«
    Melisande schüttelte den Kopf. »Schon gut. Verteil jetzt das Stroh, schnell, unsere Gäste treffen bald ein.«
    Michel verbeugte sich, warf die Garben auf den Boden und begann sogleich, das Stroh zu brechen und zu verteilen. Wider Willen musste Melisande lächeln. Michel war ein fleißiger und vor allem ehrlicher Kerl, aber mit dem Denken war es bei ihm nicht weit her. Wenn Berbelin ihm erzählen würde, dass der Sau plötzlich Flügel gewachsen seien und sie sich in die Lüfte erhoben hätte, würde er das vermutlich auch glauben.
    Melisande eilte die Treppe hinunter. Soeben hatte die tiefe Glocke der Heilig-Kreuz-Kirche drei Mal geschlagen und damit den Handelszug angekündigt, mit dem Katherina und Antonius reisten. Die Wagen würden zunächst beim Kaufhaus haltmachen, um die Waren zu verzollen. Ihre Schwiegermutter und Antonius würden darauf jedoch nicht warten müssen, sondern sich gleich zu ihrem Haus aufmachen. Melisandes Herz schlug schneller. Jetzt würde alles gut werden! Katherina würde sie und Wendel in die Arme nehmen und ihnen ausrichten, dass Erhard

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