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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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mit der Pfanne sinken.
    »Lass uns den Vorfall nicht erwähnen«, schlug Melisande vor. »Sonst meint Wendel, er kann mich nicht mehr allein im Haus zurücklassen. Ich habe keine Lust, ständig einen Aufpasser um mich herum zu haben.«
    »Ganz recht.« In Katherinas Blick lag Argwohn. Sie schien zu ahnen, dass etwas nicht stimmte. »Was geschehen ist, bleibt unser Geheimnis. Sonst müssen wir uns in den nächsten Tagen ständig damit aufziehen lassen, was für schreckhafte Weiber wir doch sind.« Sie deutete auf das Gewand, das auf dem Bett lag. »Was für ein schönes Kleid! Und so ein ungewöhnlicher Schnitt. Ich habe es noch gar nicht an dir gesehen. Warum ist es denn so voller Schmutz und Erde?«
    Melisande räusperte sich. »Ja, weil ich …« Sie unterbrach sich, hielt sich die Hand an den Bauch.
    »Ach, was frage ich für dummes Zeug. Dabei geht es dir nicht gut.« Katherina ergriff Melisandes Arm und führte sie zum Bett. Sie nahm das Kleid weg, drückte sie auf die Decke und streichelte ihr über den Kopf. »Du solltest dich jetzt ausruhen, mein Kind«, sagte sie sanft. »Die ganze Aufregung war nicht gut für dich. Ich hänge die Pfanne wieder an ihren Platz. Und das Kleid gebe ich Selmtraud. Sie soll es waschen. Wahrscheinlich hast du damit im Garten gearbeitet, ist es nicht so?«
    Melisande ließ sich zurücksinken. Gegen diese Fürsorge war sie machtlos. Immerhin entging sie so weiteren unangenehmen Fragen. Aber das Gewand wollte sie nicht aus der Hand geben. »Das Kleid werde ich selber waschen«, sagte sie rasch. »Ich möchte nicht, dass es leidet. Bitte, leg es einfach in meine Truhe.«
    Katherina lächelte. »Ja, das kann ich verstehen. Es ist ein wertvolles Kleid, nicht wahr? Es bedeutet dir etwas. Hast du es getragen, als du Wendel zum ersten Mal begegnet bist?«
    Melisande setzte zum Sprechen an, aber Katherina legte ihr einen Zeigefinger auf die Lippen. »Du musst jetzt nichts sagen. Du weißt, du kannst mir alles anvertrauen, wenn du möchtest. Aber ich schätze dich auch, wenn du mir nicht alles erzählst.« Sie verstaute das Kleid in der großen Truhe und verließ den Raum.
    Melisande schloss die Augen, versuchte, das Rauschen des Blutes in ihren Ohren zu verscheuchen. Jemand kannte ihr Geheimnis, so viel war sicher. Die Tafel hätte ihr Warnung genug sein sollen, doch sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Was wollte der Unbekannte? Sie erschrecken? Oder warnen? Wovor? Bilder tanzten vor ihren Augen. Antonius! War er es nicht gewesen, dem sie vor zwei Jahren am Flöttlinstor begegnet war, nachdem sie ihre Vergangenheit begraben hatte? Hatte Antonius sie beobachtet? Hatte er die ganze Zeit von ihrem Geheimnis gewusst? Das würde sein merkwürdiges Verhalten erklären.
    Melisande schüttelte den Kopf. Das passte nicht zusammen. Antonius konnte nicht der Mann sein, der über das Dach geflohen war, er war mit den anderen in der Kirche gewesen. Also musste er einen Komplizen haben. Aber wen? Und was führten die beiden im Schilde?
***
    Eberhard von Säckingen blickte sich um, niemand war in der Nähe. Entschlossen zog er am Zügel und lenkte den Wallach auf den schmalen Pfad in Richtung Osten. Um keinen Verdacht zu erregen, hatte er Rottweil durch das Hochbrücktor verlassen, das im Süden der Stadt lag, denn im Gasthaus hatte er angegeben, auf dem Weg nach Basel zu sein. Niemand sollte mitbekommen, dass er in die Richtung ritt, aus der er gekommen war. Das bedeutete zwar einen Umweg, doch nur so ging er ganz sicher. Der schmale Pfad führte angeblich zu einer Furt durch den Neckar und stieß einige Meilen weiter auf die Landstraße nach Tübingen.
    Die Äste hingen tief, Zweige peitschten von Säckingen ins Gesicht, aber der Schmerz war süß und trieb ihm die Erinnerung an Melisandes Schlafkammer aus dem Kopf, an den betörenden Duft nach Rosenöl, an das Verlangen, das ihm körperliche Schmerzen bereitete. Was hatte diese Metze nur an sich, dass sie ihm dermaßen den Verstand raubte? War sie des Teufels? Hatte sie ihn verhext? Vielleicht hatten die braven Uracher Handwerker damals nicht ganz unrecht gehabt. Vielleicht besaß sie tatsächlich Zauberkräfte.
    Unsinn! Er ballte die Faust. Was für ein Unfug! Dieses Weib besaß nicht mehr Macht als jedes andere. Er war der Tölpel, der ihr verfallen war. Wut stieg in ihm auf. Was war er nur für ein erbärmlicher Schwächling!
    Obwohl es lebensgefährlich war, auf dem schmalen Pfad schneller als im Schritt zu

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