Die Tränen der Justitia (German Edition)
rein theoretisch versteht sich. Weil Sie mir schon zu sehr auf den Fersen sind, Frau Kupfer.»
«Und warum bringen Sie den Geldboten um?»
«Tja, das ergibt nun wirklich keinen Sinn. Weil er mich angegriffen hat? Aber, gemäss Radiomeldungen ging der Mann am Stock. Also keine Gefahr für mich.»
«Wie wärs mit, weil er Sie erkannte?»
«Interessant! Das wäre eine höchst einleuchtende Erklärung. Und wie geht es nun weiter, Frau Kupfer?»
«Das kann ich Ihnen sagen. Sie bringen Lena gesund zurück. Dann kriegen Sie zwar lebenslänglich für den Mord an Josef Doppler, aber vielleicht sind Sie wegen guter Führung schon bald wieder draussen. Sie wissen ja, wie das geht.»
«Tja, dazu müsste ich sie zuerst in meiner Gewalt haben. Durchsuchen Sie mein Haus, von oben bis unten. Sie brauchen keinen Durchsuchungsbefehl. So nettem Besuch kann ich keinen Wunsch abschlagen.»
«Danke. Vielleicht kommen wir auf Ihr Angebot zurück. Wir werden Lena finden, ganz bestimmt. Und wenn Sie tot ist, sind Sie es auch.»
«Oho! Eine Drohung?! Das enttäuscht mich jetzt aber … Und wie wollen Sie mich zu einem Geständnis bewegen? Glauben Sie wirklich, ich erzähle Ihnen, wo Lena verscharrt ist?»
«Lassen Sie sich überraschen.»
«Das heisst im Klartext, Sie haben nichts gegen mich in der Hand. Nun, das sind ja rein hypothetische Spielereien … Möchten Sie noch einen Kaffee?»
«Nein, vielen Dank. Er war übrigens wirklich gut.»
«Es war mir ein Vergnügen. Ich darf doch sicher bis zum nächsten Mal sagen.»
Sie gingen zu ihren Kollegen ans Rheinbord.
«Ihr könnt die Überwachung beenden. Er hat euch schon längst bemerkt, zudem haben wir Klartext mit ihm geredet. Sagt Georg einen schönen Gruss von uns.»
Ferrari hielt sich an der Brüstung fest. Wut stieg in ihm hoch und schnürte ihm für einen kurzen Moment die Kehle zu.
«Ein perverses Dreckschwein!»
«Milde ausgedrückt, Nadine.»
«Lena lebt! Und er hat sie.»
«Aber wo?»
«Bei seinem Komplizen. Einen Moment lang dachte ich, dass es André de Courten sein könnte.»
«Das ist dem viel zu heiss. Irgendeiner aus seinem Bekannten- oder Freundeskreis. Ein ehemaliger Knastbruder.»
«Was ist mit Reto Geisser?»
«Glaube ich nicht. Geisser war echt schockiert, als wir ihm von Lena erzählten. Und was diesen Kurz betrifft, der kann niemals allein auf die Kleine aufpassen. Heller wird sich nun seine Gedanken machen. Wenn er klug ist, und mangelnde Intelligenz kann man ihm wirklich nicht vorwerfen, dann bringt er uns Lena lebend zurück.»
16. Kapitel
Marcel Wiedmer fühlte sich absolut elend. Trotzdem bat er sie ins Haus, als er hörte, was geschehen war. Er stellte ihnen seine Schwester vor, die mit ihrem Baby zu Besuch war.
«Was ist denn genau passiert?», erkundigte sich Wiedmer.
In knappen Worten schilderte Ferrari den Tathergang.
«Das … mein Gott … aber das kann doch nicht sein. Ich dachte, jetzt wird alles wieder gut. Endlich hatten sich die Erpresser gemeldet und Staatsanwalt Borer würde die Million schon verschmerzen. Allein die Vorstellung … Mirjam, stell dir vor, jemand würde deinen Sandro entführen und töten.»
Als ob der Knabe das gehört hätte, begann er zu schreien. Mirjam drückte ihren Sohn Nadine in den Arm.
«Nur einen kleinen Augenblick, bis der Schoppen warm ist. Dann übernehme ich wieder.»
Sie stellt sich schon etwas unbeholfen an, aber ich könnte mir Nadine durchaus als Mutter vorstellen. Mit einem oder zwei kleinen Noldis. Dazu müssten sie sich aber wieder vertragen und Nadine nicht mehr mit Yvos und anderen alten Männern durch die Gegend ziehen.
«Möchten Sie oder soll ich?», fragte Mirjam und hielt Nadine die Schoppenflasche hin.
«Ich machs gern.»
Also doch, der Mutterinstinkt ist geweckt und Sandro scheint die Tante zu geniessen, oder zumindest den Schoppen.
«Leiden Sie oft unter Migräne?»
«So drei oder vier Mal pro Jahr setzt mich eine Migräne ausser Gefecht. Und wenn ich nicht sofort etwas dagegen nehme, habe ich den Salat.»
«Wir wollen Sie nicht lange stören. Ist Ihnen irgendetwas im Vorfeld aufgefallen?»
«Die Beschaffung des Geldes war eine kurze Sache. Im Nachhinein …»
«Ja?»
«… war es ein Fehler. Ohne diese Übergabe würde Josef noch leben.»
«Das konnte niemand voraussehen, Herr Wiedmer. Wie war die Aufteilung der Noten?»
«Alles Zweihunderter, wobei eine Million in solchen Scheinen gar nicht so viel hergibt. Ich war ziemlich enttäuscht, als ich das Paket sah.
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