Die Tränen der Justitia (German Edition)
liessen sich von einem Streifenwagen mit Blaulicht nach Münchenstein fahren, wo die Kollegen der Baselbieter Polizei bereits vor Ort waren. Nach kurzer Rücksprache und entgegen der gängigen Regel, dass die Schwere eines Folgedelikts für die Zuständigkeit ausschlaggebend ist, übernahm Ferrari dankbar den Fall und gab seinem Team unter der Leitung des Polizeiarztes Peter Strub grünes Licht. Josef Doppler lag hinter dem Dinosaurier in einer Blutlache.
«Scheisse, Francesco! Das ist doch der Schwiegervater von Julia. Was ist denn passiert?», erkundigte sich Strub.
«Wir sind hinter dem Entführer von Julias Tochter her. Er forderte eine Million Lösegeld, die Josef Doppler übergeben sollte. Um das Leben des Babys nicht zu gefährden, mussten wir uns zurückhalten. Das war der ausdrückliche Wunsch des Staatsanwalts.»
«Und das da ist das Ergebnis. Der Täter hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Waffe mitzunehmen. Hier», der Polizeiarzt hob eine kleine Plastiktüte hoch, «ein Dolch. Doppler wurde erstochen, es traf ihn mitten ins Herz. Schrecklich!»
«Ein Mord ist immer schrecklich und erst recht, wenn man das Opfer kennt.»
«Wo du recht hast, hast du recht, Nadine. Spuren gibt es jede Menge, dieser Ort hier beim Dinosaurier ist sehr beliebt. Eine Zuordnung wird schwierig sein.»
Ferrari sah sich am Tatort um.
«Hat sich Doppler gewehrt?»
«Nach erstem Augenschein würde ich Nein sagen. Vermutlich wurde er überrascht.»
«Der Ort ist für eine Übergabe gut gewählt. Da vorne bei der Holzbrücke ist ein Parkplatz und in der Nacht kommt kaum jemand hierher. Der Täter kann also ungestört hinter dem Dino warten, er winkt Doppler zu sich, bringt ihn um und verschwindet, entweder mit einem Auto vom Parkplatz aus oder über die Holzbrücke zu Fuss, mit dem Velo oder einem Motorrad. Tja, da sind viele Möglichkeiten denkbar.»
«Wer fand ihn?»
«Sein Sohn Lukas. Die Kollegen brachten ihn nach Hause, er war ganz aufgewühlt. Verständlicherweise.»
Ferrari kniete sich vor das Opfer.
«Wir finden ihn, Josef, und wir finden Lena. Das verspreche ich dir, bei allem, was mir heilig ist!»
Als Nadine und Ferrari bei der Familie Doppler eintrafen, sprach keiner ein Wort. Jeder schien seinen eigenen trüben Gedanken nachzuhängen. Noch vor wenigen Stunden wähnten sie sich am ersehnten Ziel, doch die Realität hatte sie eingeholt. Härter als erwartet, und somit war der Fall ein beinahe grenzenlos tiefer. Nach und nach fügten sich die Fakten aneinander. Der Entführer hatte am Mittag die Details der Übergabe bekannt gegeben. Josef und Lukas Doppler verliessen um acht das Haus. Sie fuhren mit Josefs Wagen auf den Parkplatz in der Grün 80 und warteten auf einen erneuten Anruf. Um viertel nach neun gab der Entführer Josef den Befehl, zum Dinosaurier zu kommen, allein. Nachdem Lukas eine halbe Stunde gewartet hatte, hielt er es nicht mehr aus. Er ging ebenfalls zum vereinbarten Treffpunkt und fand seinen Vater tot vor.
«Er lag wie schlafend da. Ich bin zu ihm und habe ihn geschüttelt. Da sah ich das Blut und das Messer … Er … er war tot. … Mein Vater ist tot … und Lena ist es sicher auch!»
Lukas sprach aus, was alle in der Familie dachten. Kaum war das letzte Wort verklungen, wurde Julia von einem Heulkrampf geschüttelt, während ihre Schwiegermutter ihr Gesicht hinter zitternden Händen verbarg. Diese Ohnmacht, diese Verzweiflung, diese tiefe Traurigkeit waren nicht zu ertragen. Worte halfen wenig. Bedrückt verliessen Nadine und Ferrari das Haus.
«Jetzt ist der Supergau eingetreten, Nadine.»
«Wir müssen das Schwein finden, und zwar schnell.»
«Glaubst du, Lena lebt noch?»
«Sie ist am Leben! Das spüre ich. Du etwa nicht?»
«Doch. Denkst du dasselbe wie ich?»
«Ja. Heller spielt ein verdammt teuflisches Spiel. Ab sofort geben wir die Spielregeln vor, Francesco!»
15. Kapitel
Peter Strubs Vermutung bewahrheitete sich, die Spurensicherung brachte nichts. Nebst vielen Abdrücken von Kindern gab es unzählige von Erwachsenen. Absolut verständlich, zumal der Dinosaurier ein Anziehungsmagnet für die Parkbesucher war. Aus dem Wirrwarr von Schuhabdrücken konnte Noldi zwar zwei herausfiltern. Ob die jedoch dem Täter gehörten, war fraglich. Mit Sicherheit, wie der Polizeiarzt vermerkte, habe der Mörder zwei Mal zugestochen. Schon der erste Stich sei tödlich gewesen. Was um Himmels willen war gestern Nacht passiert? Warum brachte der Entführer den Geldboten um? Das
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