Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
hatte einfach kein Händchen für Babys und gab die Kleine dankbar an Patrick weiter, bei dem sie sich sofort beruhigte, als er sie auf den Arm nahm und mit sich herumtrug. Sie schlief nicht ein, sondern beobachtete mit aufmerksamen Kulleraugen die Gäste. Anscheinend gefiel es ihr, Musik zu hören und von einem begeisterten Ausstellungsbesucher zum anderen gereicht zu werden. Gerade schäkerte sie mit Roberta Fence.
Juliet streifte die junge Frau kurz mit einem abschätzenden Blick. Früher war sie in Kevin verliebt gewesen. Machte sie sich jetzt womöglich an Patrick heran? Aber da schien keine Gefahr zu bestehen. Roberta kleidete sich immer altjüngferlicher und wusste bei dieser Ausstellung kaum, wo sie hinblicken sollte. Die Akte waren für Juliet nicht sonderlich anstößig, aber ausSicht des Dunediner Lehrerinnenseminars standen sie wohl für Sodom und Gomorrha. Das Baby war da eine willkommene Ablenkung, Roberta schien ganz wild darauf, es in den Arm zu nehmen und zu schaukeln. Patrick beobachtete sie dabei gönnerhaft, aber auch etwas besorgt, er gab May nicht gern aus der Hand.
Juliet zog die Aufmerksamkeit von den beiden ab. Der Journalist aus Queenstown hatte ohnehin mehr zu bieten. Sie blühte auf, als er fachkundig über die Musik der Südstaaten sprach. Seiner Meinung nach hatte »dieser Teil der Welt« bislang nichts weiter zustande gebracht als Waltzing Mathilda . Juliet und Pit zogen genüsslich über das Kunstbanausentum der Neuseeländer und Australier her – wobei sie die gesamte Kultur der Maori, ihre Instrumente und ihr vielfältiges Liedgut einvernehmlich außen vor ließen.
»Es gibt ja auch kaum Auftrittsmöglichkeiten für wirkliche Künstler«, klagte Juliet ihm schließlich ihr Leid, während er seine Hand wie zufällig auf ihren Arm legte und seine Finger dann angelegentlich hinauf zu ihrer Schulter wandern ließ. »Mal reisende Ensembles oder so, ein oder zwei Theater, die nur Klassiker spielen … und von den komischen christlichen Gruppierungen trotzdem misstrauisch beäugt werden. Für die Church of Scotland ist man doch schon verdammt, wenn man mal ein rotes Kleid trägt.«
Pit lachte. »Eine Verdammung, die ich gern mit Ihnen teilen würde«, flirtete er.
Heather, die eben vorbeikam, warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Sie wünschen sich ein rotes Kleid, Mr. Frazer?«, fragte sie anzüglich. »Ich glaube, ich habe noch eins. Ein Reformkleid, recht weit geschnitten. Vielleicht passen Sie ja hinein.«
Juliet kicherte, aber Heathers Blick auf sie war eher ungnädig. »Vielleicht singst du noch ein Lied?«, fragte sie – freundlich, aber in unterschwelligem Befehlston.
Heather hatte Frazers Hand auf Juliets Schulter bemerkt, und sie wollte ganz sicher keinen Eklat auf ihrer Vernissage.
»Ich dachte eher an den Ort der Verdammnis«, berichtigte sich Frazer jetzt, leicht errötend. »Mit Ihnen würde ich auch die Hölle teilen.«
Juliet schnurrte wie eine Katze. »Da wäre es ohnehin zu warm für … Kleider …«, raunte sie ihm zu und spielte mit dem Träger ihrer ärmellosen Robe.
Dann begab sie sich jedoch zum Klavier – schließlich wollte sie es sich auf keinen Fall mit Heather verderben.
Frazer wartete mit einem Glas Sekt, als sie geendet hatte. »Unglaublich … Ihre Stimme ist … glasklar, und doch geheimnisvoll … verheißungsvoll …«
Juliet sonnte sich in seinem bewundernden Blick, hörte seinen Schmeicheleien aber kaum zu – bis zu seiner nächsten Bemerkung.
»Sie müssen unbedingt auftreten! Sie können sich nicht in einem Vorort von Dunedin vergraben. Hören Sie, wir haben da etwas ganz Interessantes in Queenstown. Daphne’s Hotel. Ursprünglich war das ein Pub wie jeder andere. Auch ein bisschen – na ja, sehr freizügig … Aber in der letzten Zeit … die Betreiberin hat eine Bühne gebaut, es gibt Gesangsdarbietungen und … hm … Tanz. Der Pub wandelt sich zum Restaurant, die Herren nehmen ihre Damen mit hin, wenn ich die Wandlung vielleicht so umschreiben darf.«
»Es ist ein Nachtclub?«, fragte Juliet interessiert.
Frazer überlegte kurz. Dann nickte er. »Es ist zumindest auf dem Weg dorthin. Queenstown zivilisiert sich, wissen Sie. Es gibt nicht mehr nur Abenteurer und Goldgräber, stattdessen wieder mehr große Viehzüchter – das Gold wird jetzt in Minen gefördert, die Betreiber sind auch nicht arm und ungebildet. Und man versucht, die Stadt für Besucher attraktiv zu machen. Sie ist ja wunderschön, die Berge,
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