Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Transvaal.«
»Flüchtlingslager?« Dr. Barrister lachte, aber es klang alles andere als fröhlich. Nicht einmal spöttisch wäre richtig gewesen. Am ehesten traf es vielleicht resigniert. »Da sollten Sieaber mal Emily Hobhouse hören! Die spricht von Konzentrationslagern, wenn nicht Todeslagern.«
»Ich hörte, die Lady übertreibe«, meinte Kevin.
Er hatte in Robins Befehlsstand gehört, dass sein früherer Vorgesetzter ein Militärhospital in Pretoria leitete, und hatte ihn sofort aufgesucht. Dr. Barrister zeigte sich erfreut über das Wiedersehen und lud ihn gleich ins Offizierskasino zum Essen ein. Kevin genoss ein ausgezeichnetes, wenn auch etwas exotisches Dinner, bei dem unter anderem ein Steak aus Löwenfleisch serviert wurde.
»Die Lady scheint mir persönlich ganz vernünftig«, erklärte Dr. Barrister und nahm einen Schluck Wein. »Ich habe mit ihr gesprochen, ich kenne die Familie. Und die Zahlen sind ja auch nicht zu leugnen: fast achthundert Tote, allein im letzten Monat. Die Zustände sollen verheerend sein. Und ›Flüchtlingslager‹ trifft es ganz sicher nicht, die Frauen kommen ja nicht freiwillig, im Gegenteil, die werden unter Bewachung und unter sehr unschönen Bedingungen dorthin gekarrt. Dann schon eher ›Vertriebenencamp‹. Aber es ist ja auch völlig gleich, wie man die Lager nennt, laut Miss Hobhouse herrschen dort menschenunwürdige Bedingungen. Wobei das nachvollziehbar ist – diese Camps liegen sozusagen am Ende der Versorgungskette. Da kommt nur das an Nahrung und Medikamenten an, was die Truppen, die Militärdienststellen, die Hospitäler und die Bevölkerung der Städte nicht brauchen. Und die Versorgung ist allgemein schlecht: Es zahlt sich nun mal nicht aus, die Getreidefelder eines ganzen Landes niederzubrennen!«
Kevin biss sich auf die Lippe. »Sie meinen also, ich sollte den Posten lieber ablehnen?«
Barrister verneinte entschieden. »Dann riskieren Sie Disziplinarmaßnahmen«, gab er zu bedenken. »Obwohl die Lager ja neuerdings unter ziviler Leitung stehen, also streng genommen gehen Sie da nicht als Stabsarzt hin. Trotzdem: Nach der Sachemit diesem Coltrane kriegen Sie bei der Army kein Bein mehr auf den Boden. Und grundsätzlich hat Robin ja Recht, irgendjemand muss den Job machen. Also besser, man schickt einen, der noch Mitgefühl aufbringt, allgemein oder persönlich … Hören Sie irgendetwas von unserer streitbaren Mejuffrouw VanStout?«
Kevin schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht gerade Adressen getauscht«, meinte er mit schiefem Lächeln.
Barrister seufzte. »Ich fürchte, das hätte auch nichts genützt, Miss Doortje dürfte keine Adresse mehr haben. Sie sagen doch selbst, ihr Vater und ihr Verlobter seien bei den Kommandos gewesen …«
»Sie sind tot«, erklärte Kevin.
Barrister nickte. »Ja. Aber das ändert nichts daran, dass die Familie auffällig geworden ist. Wenn es so gelaufen ist, wie es eigentlich immer der Fall ist, wurde ihre Farm abgebrannt.«
Kevin beugte sich interessiert vor. »Das heißt, Doortje ist in einem der Lager?«
Barrister zuckte die Achseln. »Wenn sie nicht bei der Räumung umgekommen ist … Sie kennen sie doch, Drury, die ergibt sich nicht so leicht.«
Kevin straffte sich. »Dann ist meine Entscheidung klar. Ich übernehme die Leitung des Lagers – ja, ich weiß, wahrscheinlich wird Doortje ganz woanders sein. Aber wenn sie den Krieg überlebt, dann will ich ihr immer noch in die Augen schauen können. In meinem Lager wird niemand sterben!«
»Von mir aus kann ich Ihnen den Mann gern zuteilen …«
Lord Alfred Milner, der neue zivile Leiter der Konzentrationslager in Transvaal, zeigte sich Kevins Wunsch, Cornelis Pienaar als Übersetzer und Kontaktmann zu den Gefangenen mit an seine neue Wirkungsstätte zu nehmen, durchaus aufgeschlossen. Er war überhaupt äußerst freundlich, anscheinendschien sich niemand um leitende Aufgaben in den Camps zu reißen. Milner war froh über jeden qualifizierten Freiwilligen, und Kevin konnte sich sogar das Camp aussuchen, in dem er tätig werden wollte. In drei neuen Anlagen fehlte ein Lagerleiter.
»Ist billiger, als ihn nach St. Helena zu schicken«, fuhr Milner fort. Die meisten männlichen Kriegsgefangenen wurden inzwischen in Camps außerhalb Afrikas deportiert. »Aber ob Sie ihm damit einen Gefallen tun?«
Kevin hob verwundert die Brauen. »Ich denke doch, Sir. Mr. Pienaar und ich haben uns immer gut verstanden, er ist einer der wenigen einsichtigen Leute auf der
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